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Olav H. Hauge: Mein Leben war Traum

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Jan Kuhlbrodt


Hauges Tagebücher



2012 erschienen in der Edition Rugerup die Gesammelten Gedichte des norwegischen Dichters Olav H. Hauge, der als einer der bedeutendsten in Norwegen gilt, in einer Übersetzung von Klaus Anders. Man kann diese Ausgabe getrost als ein Ereignis beschreiben. Mit einem Mal war dem deutschen Leser ein poetisches Werk zugänglich und in seiner Wandelbarkeit nachvollziehbar. Auf Norwegisch waren die Texte als Sammlung 1994, kurz nach dem Tod Hauges, erschienen. Er lebte von 1908 bis 1994.
Sein Gesamtwerk ist von einer äußerst spannenden Dialektik aus Konstanz und dichterischer Neuerfindung geprägt.

Jetzt legt der Verlag nach. Unter dem Titel „Mein Leben war Traum“ veröffentlicht die Edition Rugerup einen Band mit Auszügen aus dem umfangreichen Tagebuchwerk des Dichters, ausgewählt vom Übersetzer Klaus Anders und der norwegischen Künstlerin Bodil Cappelen, die Lebensgefährtin Hauges war. Die beiden Bücher ergeben eine Parallellektüre, die spannender nicht sein kann. In den Tagebüchern verschränken sich Mikrokosmos und Makrokosmos, denn in der norwegischen Provinz treffen wir auf ein Bewusstsein, das sowohl ästhetische als auch politische Veränderungen im globalen Maßstab seismografisch verzeichnet. Dichtung und Politik. Und nebenher verfolgen wir die Genese eines wohl einzigartigen dichterischen Werkes.

Mindestens drei Dinge kommen in diesem Tagebuchwerk zusammen. Hauge ist der Sohn von Kleinbauern in Ulvik, wo er sein gesamtes Leben verbrachte, und lernt selbst in einer einjährigen Ausbildung Obstgartenbau. Er übernimmt den Hof seiner Eltern und bewirtschaftet ihn bis zu seinem Tod. Man könnte in diesem Punkt von einer natürlichen Abfolge der Generationen im abgeschiedenen ländlichen Raum sprechen. Demzufolge spielen die Zyklen der Natur, die Abfolgen von Wetter und Jahreszeiten im Tagebuch eine tragende Rolle. Man könnte sagen, die Realität ragt hier in die Dichtung, wenn die Dichtung nicht selbst eine Realität wäre. Denn schon früh, schon ab den ersten Einträgen ins Tagebuch, das 1924 einsetzt, er war gerade 16, berichtet Hauge über ein enormes Lektürepensum. Er liest gewissermaßen alles, was ihm unter die Finger kommt, vor allem aber Gedichte. Und um den Raum des Lesbaren zu erweitern, lernt er Fremdsprachen. Unter anderem Englisch, Deutsch und Französisch. Bald liest er die Dichtungen im Original und übersetzt ins Norwegische. Einflüsse lassen sich in den Gedichten nachvollziehen.

Unterbrochen werden Lektüren und das Schreiben durch Klinikaufenthalte, wegen einer psychischen Erkrankung, die ihn schubweise ergreift. Da das Tagebuch sich über 70 Jahre erstreckt, erzählt es gewissermaßen nebenbei auch eine Geschichte der Behandlungsmethoden und die zunehmende Souveränität des Patienten Hauge im Umgang mit seiner Krankheit.

Mit den Tagebüchern Hauges ist ein Werk zu entdecken, das im besonderen Maße dem gerecht wird, was Walter Benjamin als subjektive Geschichtsschreibung bezeichnete.


Olav H. Hauge: Mein Leben war Traum. Aus den Tagebüchern 1924 - 1994. Berlin (Edition Rugerup) 2015. 256 Seiten. 24,90 Euro.

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