Jan Kuhlbrodt: Selbstversuch auf metaphorischen Brettern – Ein Vorsatz für 2021
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Jan Kuhlbrodt
Selbstversuch auf metaphorischen Brettern – Ein Vorsatz für 2021
In Brechts Lehrstücken ist es nicht am Publikum, zu lernen.
Zumindest nicht nach der Vorstellung des mittlerweile umstrit-tenen Autoren
Bertolt Brecht.
Die Lehrstücke lehren also nicht den Betrachter, wie Lessing
sich das aufklärerische Theater noch vorstellte. Die Bühne ist hier nicht mehr
die Tafel, die am Ende eines Klassenzimmers steht. Vielmehr sei es der
Schauspieler oder die Schauspielerin, die lernen, weil sie im Spiel die
Haltungen (physisch und intellektuell) der Figuren annehmen, die sie auf der
Bühne verkörpern. Wir lassen gewissermaßen die vierte Wand manifest werden und
befinden uns im Innern des Spiels.
Theater der Welt. Welttheater. Nur die Protagonisten sind
nicht sie selbst. Brechts Lehrstück hat sich natürlich als Theatermodell nicht
durchgesetzt, und werden die Stücke heute aufgeführt, dann nicht als Lehrstücke
im ursprünglich gedachtem Sinne. Eher als historisierende Schaustücke wiederum in
eine vergangene Welt. In eine vergangene Ideologie vielleicht. Die Lernenden
kehrten hinter die vierte Wand zurück und versanken als passive Rezipienten in
bequemen Theatersesseln.
So war es vorübergehend.
Ein wenig Rettung verspricht ein Sommernachtstraum und jede
Wand, die von einen theateraffinen Handwerker verkörpert wird, und auf
Verlangen einen Riss preis gibt. Doch ach: „Ich küsste nur die Wand.“
Wir schreiben das Jahr 2021, wir schreiben es schnell, denn
wie es kam, wird es verschwinden.
Der Spielplan schreibt 365 Tage vor. Halb Konvention, halb
astronomisches Ereignis In jedem Fall Himmelsgeplänkel. Etwas aus dem
Blumenberg-Jahr hat sich also herein gerettet. Metaphorisches Sprechen. Da kommt
Mensch nicht raus. So wenig wie er seine Maske ablegen kann. Und wieder
Metapher, aber auch nicht.
Und mit den Theatersesseln war es im vergangenen Jahr auch
eher schwierig. Theater fand in der Vorstellung statt. Aber nicht in der
Theatervorstellung, sondern in der gedanklichen Vorstel-lung einer Theatervorstellung.
Die Coronaschutzmaske ist keine Verkleidung. Was verbirgt
sich dahinter? Wenn uns die Impfung, oder was immer, Immunität verschafft hat,
werden wir nachsehen können, ob wir uns ohne Maske erkennen, oder was wir unter
der Maske erkennen.
Mein Zimmer hat vier Wände.
Aber hier liegen unter anderen zwei Bücher, die das Thema in
verschiedene Richtung beackern. Aber beiden ist gleich, dass sie Begriffe des
Theatralischen zum Ausgangspunkt ihrer Betrach-tung erheben. Zum einen der
voluminöse Band von Asmus Trautsch: „Der Umschlag von allem in nichts. Theorie
tragischer Erfahrung“ und zum anderen eine Arbeit von Corinna Schubert: „Masken denken – In Masken denken.“