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Jan Kuhlbrodt: Fortsetzung und Neubeginn

Diskurs/Kommentare > Diskurse > Lyrikkritik
Jan Kuhlbrodt

FORTSETZUNG  UND  NEUBEGINN

Fortsetzung

1.

Der Markt ist zunächst weder gut noch böse, sondern schlicht eine Notwendigkeit unter den Bedingungen arbeitsteiliger Produktion. Kein Mensch ist in der Lage, die Dinge oder Dienst-leistungen, die er beansprucht, selbst zu fertigen oder bereitzustellen, ist also gezwungen, mit anderen, die das können, in den Austausch zu treten.


2.

Der Markt ist natürlich eine Metapher, und nicht der Ort, wo weiland Rilke seine Gedichte verschenkte oder der König Drosselbart die Krüge niederritt, die die hochnäsige Prinzessin in im Auftrag des Spielmanns, der er auch war, dort feil bot..
    Der Markt steht für den Austausch von Waren aller Art und Dingen, die, wenn sie auf den Markt gehandelt werden, ein Maß brauchen, nach dem sie sich tauschen lassen. Dieses Maß drückt sich im Preis aus, der sie vergleichbar macht mit anderen Dingen, die auch einen Preis haben. Den Preis betrachten wir gern als Wert. Wie dieser zu Stande kommt, ist unter Theoretikern umstritten. Unstrittig aber scheint zu sein, dass der Markt, so kein Ort, aber doch eine Sphäre der Kommunikation ist, in der über die Werte der Dinge verhandelt wird, die sich dann im Austausch realisieren.
    Dass der Markt eine Sphäre der Gleichmacherei ist, liegt also daran, dass dort die Produkte in ein spezifisches Verhältnis gesetzt werden müssen, etwas Gleiches, dass den Vergleich und damit den Austausch ermöglicht. Als Zeichen dieser Tauschbarkeit fungiert zumeist der Geldwert, der sich im Preis ausdrückt.


3.

Um die Waren aber in ihrer Spezifik zu erfassen; erden sie auf ähnliche oder vergleichbare Produkte bezogen. Ist ein Produkt einzigartig und lässt sich gut verkaufen, werden sich also Konkurrenten finden, die es in vergleichbarer Qualität herstellen. Konkurrenz halt. Markt-wirtschaft. Und natürlich hat diese marktwirtschaftliche Bewegung alle Bereiche der Gesellschaft erfasst. Alles nimmt die spezifische Form der Ware an. Und ein Buch ist eine solche, aber auch der Plasteeimer oder die Eisenbahnschiene, und noch der durchgeistigste Lyriker wird dem Eimer oder der Schiene ihre Existenzberechtigung nicht bestreiten. Anders sieht es bei Schnellfeuer-gewehren oder Anlagen zur wissenschaftlichen Grundlagenforschung, wie dem CERN aus, deren Finanzierung politische Entscheidungen voraussetzt.


4.

Aber ist das Buch identisch mit dem Text, oder der Artwork? Das Buch kommt ohne seinen Text nicht aus. Und das Buch benötigt einen Text, um zur Ware zu werden.
    Bestimmte Texte machen die Bücher marktgängiger. Das ist keine Wertung, sondern ein Fakt. Die Frage ist jetzt aber, ob weniger marktgängige Texte auch weniger gesellschaftliche kulturelle Bedeutung haben. Denn diese Texte aber benötigen Hilfe, um in einer marktförmigen Gesellschaft überhaupt stattzufinden. Ihre Existenz dem marktförmigen Diskurs zu überlassen, wäre Gleichmacherei nicht in einem marktwirtschaftlichen, sondern in einem moralischen Sinn. Und hier beginnt eine gesellschaftliche Debatte, deren Notwendigkeit sich notwendig reproduziert.

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