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Jan Kuhlbrodt: Fortsetzung und Neubeginn, 2

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Jan Kuhlbrodt

Fortsetzung und Neubeginn, 2


Fortsetzung, Teil 2:
Thesen zur Kritik der lyrischen Ökonomie

Die Debatte nimmt Fahrt auf, aber wir reden aneinander vorbei, benutzen Begriffe, deren Bedeutung changiert. Vielleicht sollten wir uns, um das Problem zu bestimmen, auf einen Begriffskatalog einigen, über den wir eine Debatte beginnen bzw. weiterführen. Zwei Begriffe scheinen, mir zumindest, zunächst besonders wichtig. Technik und Markt.


1. Technik

Ich brachte den Begriff der Technik in Rückgriff auf Adornos „Ästhetische Theorie“ ein. Das hat erst einmal seinen Grund darin, dass ich meine Magisterarbeit über das Spannungsfeld von Kunst und Technik geschrieben habe und in diesem Kontext einen Vergleich zur Technikbestimmung Adornos und Heideggers anstellte.
    Es würde hier wahrscheinlich zu weit führen, das im Ganzen darzustellen, vielleicht soviel: während Adorno ein Kunstwerk als technisch vermitteltes Oberflächenphänomen betrachtet, dessen innere Widersprüchlichkeit eben genau da seinen Ausdruck findet, sieht Heidegger im Kunstwerk das Hervorbrechen der Wahrheit.

Beide aber, sowohl Heidegger als auch Adorno, räumen der Technik einen spezifischen – wenn nicht zentralen – Stellenwert ein. So schreibt Heidegger z.B:

"Die tecnh ist als griechisch erfahrenes Wissen insofern ein Hervorbringen des Seienden, als es das Anwesende als ein Solches aus der Verborgenheit her eigens in die Unverborgenheit seines Aussehens vorbringt; tecnh bedeutet nie die Tätigkeit eines Menschen."¹

Ganz anders Adorno:

"Die Sphäre aber, in der über richtig und falsch zwingend, doch ohne Rekurs auf trügerische Leitbilder sich entscheiden läßt, ist die technische."²

Und in genau dieser Entgegensetzung liegt das Problem, das uns aneinander vorbeireden lässt.
  Vergegenständlichte Technik – Maschinerie und Regelpoetik vs. lebendige vermittelnde Tätigkeit.
    Wir haben einerseits eine Maschinerie der industriellen Produktion, in der sich das technische Vermögen vergegenständlicht hat, das heißt, es hat eine Wissensübertragung stattgefunden, vom unmittelbaren Können des Handwerkers in die Anordnung technischer Produkte, beziehungsweise in die Regelhaftigkeit ästhetischer Produktion.
    Und hier, also im Spannungsfeld von Regel und Freiheit liegt „die eine verbindende Qualität der Gedichte von Sylvia Plath, Friedrich Hölderlin, William Carlos Williams und Barbara Köhler.“ (Zitat aus Timo Brandts Replik »)


¹ Martin Heidegger: Der Ursprung des Kunstwerkes, Ditzingen 1986, S. 59.
² Theodor W. Adorno: Ohne Leitbild, Frankfurt am Main 1967, S.17.
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