Fundstücke
Diskurs/Poetik/Essay
Was sehen wir im Gang einer Person? Ich habe bereits zu verstehen gegeben, daß wir alles sehen, die ganze Biographie. Ja, ich glaube, dies trifft in gewisser Weise wirklich zu. Wie wir das schaffen, weiß keiner. Vielleicht bildet eine instinktive, unwillkürliche Imitation diese Person auf den ersten Blick in uns aus, imitiert sie so genau, daß wir alles, was sie fühlt, auch fühlen, und dazu all das, was ihren Gang so einzigartig macht und sie das tun läßt, was sie gerade tut. Vielleicht steckt sogar noch mehr dahinter. Aber wie dem auch sei: die Information teilt sich uns auf jeden Fall mit.

Ted Hughes:
Wie Dichtung entsteht
(Absatz: Wörter und Erfahrung) 1967
28. 02. 2021
Bald kommt ein Lied vorbei (schweigend, noch nicht gefangen), auf der Suche nach sexuellem Leben - von dem es lebt (das Lied nährt sich von der Liebe).

Ted Hughes:
Mythen
1993
21. 02. 2021
>Ein leichtes Herz
und ein dünnes Paar Hosen
gehn durch die Welt<

Tobias Smollett:
Die Abenteuer des Roderick Random
(Kapitel 5) 1755
14. 02. 2021
während ich tippe, schwimmen wale im meer, schimmelt ein joghurt, expandiert das universum. deshalb arbeitet lyrik umein-andcr herum und ineinander entlang, statt nebeneinander über-einander, sie wird zur skizze auf der schädeldecke, zu sanften verbindungen und harten, zum knacken in den gelenken.

Lara Rüter:
ein unechtes gelenk
(in Ostragehege, 97 - Lagebesprechung neue Lyrik) 2020
07. 02. 2021
„Die Zeit
zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg war eine gute Zeit für Lyrik, sie wurde
gelesen als Stimme der Zeit und Seismograph, vor allem wahrgenommen als Poesie.
Lyrik war glaubhaft, nicht weniger als alle anderen Formen gestalteter Sprache.
Es war in der Nachkriegszeit undenkbar, gefragt zu werden, warum man Gedichte
schreibe, Lyrik wozu. Die Frage wurde laut und dreist, als man in den
westlichen Zonen betonte: Wir sind wieder wer, und Erfolg und Profit zum
Maßstab machte. Erste Sattheit prägte die öffentliche und private Erscheinung
der Deutschen. Der wirtschaftliche Aufschwung ermöglichte, wie es schien
zu Recht, eine neue, laut behauptete Unangreifbarkeit. Es entstand die lässig
vorgetragene Frage nach Sinn und Berechtigung von Gedichten, wiederholte sich
auf Podien, nach Lesungen und wurde selbstgerecht diskutiert von Leuten, die
Gedichte nicht brauchten, nichts wissen wollten von Energien, die erfolgreichen
Fortschritt in Frage stellten. Die gute Zeit für Lyrik ging zu Ende.“

Christoph Meckel:
Eine Tür aus Glas, weit offen. Gesammelte Prosa. Hrsg. von
Wolfgang Matz. (Hanser Verlag)
2020
30.01.2021

Roger:
Drei Gedichte vom Katzenbuckel
2021
24.01.2021
Die Sprache einer Dichtung. die diesen Namen verdient, läßt sich in den Büchern nicht nachschlagen: So werden Gedichte selbst zu kleinen Wörterbüchern, die wir im Kopf ins Paradiso tragen können, während der Übersetzer glauben muß, er sei ins Inferno geraten.

Marcel Beyer:
Sie nannten es Sprache
(Brueterich Press 2016)
16.01.2021
und wer der Weißheit traut / dem setzt sie Füße an /
daß er wohl dahin geht / da niemand gehen kan:
sie macht die Tühren auff den sunsten schlechten Sinnen /
daß sie alsdan was tuhn / daß sie vohrhin nicht künnen;
sie setzt uns Augen ein / und wer sie herzlich liebt /
der kan im finstern sehn / wohl der sich ihr ergiebt!

Sibylla Schwarz:
Auß eben disem von der Weißheit
(in "Werke, Briefe, Dokumente", Band 1 2021)
09.01.2021
Die digitalen Literaturen geben eine Kombination aus Echo- und Narziss-Struktur, zwischen Wiedererkennen und Wiederholen, vielschichtige Doppelfigur des Selbst. Profil, Blog, Post, Repost, Tweet, Retweet, Share, Reshare, Kommentar und Kommen-tieren des Kommentars sind nur einige ihrer Erscheinungs-formen, Selbstbeziehung ist im Internet vordergründig, das Ich bekommt Profilbild, Hintergrund, Status mit Klarnamen oder Pseudonymen zugeschrieben, Doch an der eigenen Wall, im eigenen Feed wirken auch die anderen mit, die eigene Seite kann man nie allein erschaffen. Man führt meist nicht mal Regie, es passiert eben einfach etwas. Das Ich wird so zur Kommuni-kations- und Reflexionsfläche, Identität zum Experimentierfeld. Die neuen Literaturen im Netz reagieren aufeinander wie Echo auf Narziss und anders herum.

Nora Zapf:
Echo, komm wieder. Wir schleifen, Schneebälle
(in "Screenshots - Literatur im Netz", edition text + kritik, 2020)
03.01.2021