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Aischylos: Die Schutzflehenden

Gedichte > Zeitzünder


Aischylos

Die Schutzflehenden
463 v. Chr. uraufgeführt
Übersetzung: Johann Gustav Droysen (Berlin 1832)


Personen
Chor der Danaiden
Danaos
Pelasgos, König der Argeier
Ägyptischer Herold



Teil 1


Ufergegend zwischen dem Meer und der Stadt Argos. Der Chor der Danaiden mit fremdartiger Kleidung zieht ein. In den Händen tragen sie - nach Sitte der Hikesie - Zweige mit Wollbinden umwunden, das Zeichen der Schutzflehenden. Die Mädchen haben ihre Mägde bei sich, die am Ende der Tragödie als zweiter Chor hervortreten. Unter ihnen der greise Danaos.



CHOR:

Zeus, Flüchtlingshort,

Schau gnädig herab auf unseren Zug,
Der zu Meer von des Nilstroms Mündungen her,
Von den feinsandigen,

Aufbrach; und verlassend die heilge

Heimat, die an Syria grenzt, flohn wir,
Um Blutschuld nicht ins Elend zu gehn,

Vom Gerichte des Volkes verurteilt;

Den verwandten, den bräutigamsflüchtigen Bund,
Mit Aigyptos' Söhnen die Hochzeit flohn

Voll Abscheu wir; und Danaos selbst,

Mein Vater und Rater und Führer zur Tat,
Er ersann, er gebot

Uns dies' glorwürdigste Trübsal:

Rastlos zu entfliehn durch die wogende See
Und zu landen am Argosstrande, woher
Ja unser Geschlecht von der schweifenden Kuh,
Vom Berühren, vom leis anwehenden Hauch

Des Kroniden sich rühmt zu entstammen.

Drum welch Land wohl, liebreicher denn dies,

Könnten betreten wir,

Dies bittende, wollenumwundne Gezweig

Schutzflehender fromm in den Händen?

O droben ihr Himmlischen, deren die Stadt
Und das Land und die leuchtenden Wasser, und ihr

Schwerstrafenden drunten im Hades,

Und Zeus, Heiland, der das Haus, das Geschlecht
Du der Frommen bewahrst,
Aufnehmet der Fraun schutzflehenden Zug;
Doch den männergedrängt frechtrotzenden Schwarm,
Des Aigyptos' Geschlecht,
Eh ihr Fuß dies sandige Ufer betritt,
So verschlagt sie in jagenden Barken hinaus
In die offene See,
Wo die wettergegeißelte Sturmnacht sie,
Wo sie Donner und Blitz,
Wo des regengepeitschten Orkanes Gewalt

In der brausenden See sie vernichte,

Eh das Bett, das Themis ja ihnen versagt,
Eh mit ringender Hand das erzwungene Bett

Der bewältigten Muhmen sie schänden.



WECHSELGESANG DES CHORS


Erste Strophe


Flehend gewendet zu dir,

Sohn des Zeus, du der jenseitigen Heimat Hort, von der blumenweidenden Kuh,
Unserer Ahnin, gezeuget von Zeus' Hauch –
Denn, der sie rührte, der Hauch, ihn erfüllte im Namen das ewge Verhängnis,
Als sie Epaphos' Kraft gebar, glorreich.

Erste Gegenstrophe


Flehend zu dir denn gewandt,

Will ich jetzt, in den grasreichen Aun der hehren Mutter einstige Qual
Feiernd, ein unwiderlegliches Zeugnis
Sagen, von welchem verschieden und nimmer erwartet sich alles an uns zeigt;
Doch begreift mit der Zeit man einst dies auch.

Zweite Strophe


Stünd in der Näh einer der Einheimischen jetzt

Zu Vogelfang und hörte diese Klage,

Würd er meinen, in wehklagendem Gram sei es der Tereïschen Gattinnen Gesang,

Der falkgejagten Nachtigall,


Zweite Gegenstrophe


Die von des Bachs Ufern, den Waldbüschen verscheucht,

Wehklagt im Gram verlorner Heimat,

Hinzusinget des Lieblinges Geschick, welchen sie selbst schlug mit der mordblutigen Hand,

Unmütterlichen Zorns verwirrt.


Dritte Strophe


Ebenso schmerzenbefreundet im Gram iaonischer Klagen,

Reiß ich wund mir die nilblühende, weiche Wange,

Mein tränenunkundig Herz wund,
Des Kummers Blume pflück ich mir,
Vor den Meinen in Angst, ob mir der Flucht aus dem umnebelten Land
Irgendwer noch denken mag.


Dritte Gegenstrophe


Höret, o Götter ihr unsres Geschlechtes, ihr kennt das Gerechte,

Nur nicht ganz wider Gebühr laßt es an uns zu End gehn;

Nur hasset treu allen Frevel,
So wahrt ihr wohl der Ehe Recht.
Kampfesermüdeten auch wird ein Altar, auch den Entflohnen der Schlacht
Rettend Heil der Götter Furcht.


Vierte Strophe


Möcht ein Gott es uns lassen gedeihn. Ja, der Gedanke des Zeus, schwer ist der zu erjagen;
Dennoch flammet er rings
Auch in Nacht dem Menschen her aus dunklem Gewölk des Unheils.


Vierte Gegenstrophe


Vorstürzt siegend und nicht in den Staub, wenn sie gereift in Zeus' Haupt, die Tat der Vollendung;
Denn hinzieht sich versteckt
Seines Willens Pfad, rings schattendicht, zu erschaun unmöglich.


Fünfte Strophe


Hinabstürzt hoch von hochgetürmten Hoffnungen er Menschenwahn.

Gewalt wappnet nimmer niemand
Ungestraft den Ewigen hoch
Droben; ein Gedanke schon, ein Blick
Dort von den heiligen Thronen kann alles zumal vernichten.


Fünfte Gegenstrophe


Herabsieh auf den Frevelmut, wie jetzt dieser Stamm dichtgezweigt

Ausschlägt meiner Ehe lüstern,
Frech in unheilratendem Mut,
Der, vom eignen listgewandten Wahn
Heftig gepeitscht, betrogen einst traurigstes Los bereun wird.


Sechste Strophe


Dies harte Los, wir sagen, wir klagen es laut.
Dies bittre, gellende, tränenentquellende Weh,

Ach weh uns, weh!

Im heißen Wehruf jammerlaut!
Lebend bejammr ich selbst mich!

Flehend zu dir, apischer Holm, ruf ich!

Barbarensprache, ja du kennst sie!
Und mit geschwinder Hand,

Sieh, zerfetz ich das Linnenkleid, sieh, das Sidonerstirntuch!

Sechste Gegenstrophe


Denn Göttern weiht sich der Glücklichen heiliger Dank,
Wenn fern dem Tod, der sie lauernd umdräut, entflohn sie.

Ach weh uns, weh!

O schwerenträtselt Wehgeschick!
Welle, wohin noch treibst du?

Flehend zu dir, apischer Holm, rufe ich!

Barbarensprache, ja du kennst sie!

Und mit geschwinder Hand,

Sieh, zerfetz ich das Linnenkleid, sieh, das Sidonerstirntuch!

Siebente Strophe


Das Ruder trug, des Kieles lein'gebundenes wellensichres Haus,

Mich trug es rettend her mit frischem Wind;
Nicht beklag ich's, doch den Ausgang wolle mir einst,

Allschaunder Allvater,
Gnadenreich gewähren.

Wollest der vielheiligen Ahnin Kinder

Der Ehe, wehe!

Unvermählt, unbezwungen lassen fliehn!


Siebente Gegenstrophe


So schaue froh dann auf mich Frohe wieder die reine Tochter des Zeus,

Der heilig pranget unsres Tempels Bau.
Mir vor aller Macht und Not nie Wankenden sei,

Jungfrau, mir Jungfrau sei
Retterin und hilfreich.

Wollest der vielheiligen Ahnin Kinder

Der Ehe, wehe!

Unvermählt, unbezwungen lassen fliehn!


Achte Strophe


Willst du nicht – wir dunkle,
Sonnenglutgewohnte Schar,

Wir kehren dann

Ein zum erdumnachteten,
Ein zum allaufnehmenden
Todes-Zeus mit flehendem Zweig,

Stumm in Schlingen sterbend,

Unerhört euch, ihr Götter droben!

O Zeus, Ios Gericht geißelt uns auch gottverhängt;
Das Unheil deines olympmächtgen Gemahls kenn ich; ein grauser Haß

Weht mir diesen Sturm zu.


Achte Gegenstrophe


Dann mit böser Rede
Wird man dein gedenken, Zeus,

Wenn du der Kuh

Knäbelein mißehretest,
Das du selbst dir einst gezeugt,
Wenn du von uns kehretest

Trotz unsres Flehns dein Antlitz!

Droben, Zeus! Hör in Gnaden unser Flehn!

(O Zeus, Ios Gericht geißelt uns auch gottverhängt!
Das Unheil deines olympmächtgen Gemahls kenn ich; ein grauser Haß

weht mir diesen Sturm zu.)


Danaos spricht vom Hügel herab, indes er nach der Stadt hin späht.

DANAOS:
Verständig, Kinder! Denn mit mir verständigem
Kamt ihr, dem meerfahrtkundgen, treuen Vater her.
Jetzt auf dem Land auch Schutz zu finden, rat ich euch,
Seid voller Vorsicht, meiner Worte wohlgedenk.
Ich seh des Heers lautlosen Boten schon, den Staub;
Auch schweigt der Naben achsentreibend Eilen nicht;
Und eine lanzentragende, schildbewehrte Schar
Seh ich mit Roß und Wagen prunkvoll schon sich nahn.
Die Fürsten dieses Landes werden wohl, gelockt
Durch schnelle Botschaft, selbst sich nahn, um uns zu sehn.
Doch mag in Frieden oder voll der ganzen Wut
Grausamer Roheit jener Zug herniederziehn,
Doch ist's, o Mädchen, jedenfalls geratener,
An dieser Kampfgottheiten Herd zu sitzen. Mehr
Als Turm und Burgwall schützt des Altars feste Burg.
Auf, scharet schnell euch, faßt den weißumwundenen
Ölzweig, den ehrfurchtheilgen Schmuck des hehren Zeus,
In frommer Demut an mit ehrfurchtlautrer Hand;
Antwortet schamhaft, kummervoll das Nötige
Den Herrn in diesem Lande, wie's Fremdlingen ziemt;
Erzählt verständig eure blutschuldlose Flucht;
In eurer Stimme möge ja nichts Freches sein,
Vielmehr ein sittsam Wesen sonder Eitelkeit
Aus eurem anspruchslosen Aug sanftmütig schaun;
Auch weder vorlaut noch zu breit und schleppend sei
Im Reden. Solch ein Wesen ist gar sehr verhaßt.
Nachgeben müßt ihr, flüchtig, fremd, bedürftig hie,
Denn kecke Rede ziemt den Unglückselgen nie.

CHORFÜHRERIN:
Verständig, Vater, sprachst du zu uns Verständigen;
So werd ich sorgsam deiner treu besorglichen
Weisung gedenken; Vater Zeus, du sieh darein!

DANAOS:
Ja, gnadenreichen Auges mag er schaun zu euch;
O Zeus, erbarm dich, eh die Gefahr uns ganz erdrückt!

CHOR:
Dir will ich nah mich setzen an des Altares Rand.

DANAOS:
So säumet nicht mehr, möchte glücken dieser Gang.

Die Mädchen betreten den heiligen Bezirk und wenden sich den Götterbildern zu, die angerufen werden.

CHORFÜHRERIN:
Erbarm' dich, Zeus, des Jammers, rett' uns vor dem Tod!

CHOR:
Wenn er geneigt ist, endet noch dies alles froh.

DANAOS:

Zeus' lichtbeschwingten Adler rufet betend an.

CHORFÜHRERIN:

Anflehn wir, vielerrettend Sonnenauge, dich!

DANAOS:
Des Himmels Flüchtling Phoibos auch, den lautren Gott.

CHORFÜHRERIN:
Des Loses kundig, fühlt er mit uns unsern Gram.

DANAOS:
Mitfühlen, mit euch streiten mag er gnädiglich.

CHORFÜHRERIN:
Wen ruf ich weiter unter jenen Göttern an?

DANAOS:
Ich seh den Dreizack, hehren Gottes Zeichen, dort.

CHORFÜHRERIN:
Hertrug's mich freundlich, freundlich nehm es hier mich auf!

DANAOS:
Und da, der fremde Hermes nach Hellenenbrauch!

CHORFÜHRERIN:
Wollst uns Befreiten Herold froher Kunde sein!

DANAOS:
Begrüßt mit Andacht all der Hochgewaltigen
Alleinen Altar, setzt an heilge Stätte euch
Wie ein Taubenschwarm, vor gleichbeschwingten Falken bang,
Den blutverwandten Feinden, unsres Stammes Fluch!
Der Vogel, der vom Vogel fraß, wie wär er rein?
Und der ein sich sträubend Weib vom sträubenden Vater freit,
Der sollte rein sein? Nimmer, selbst im Totenreich
Nicht wird, der das tat, seiner Tat Gericht entfliehn.
Auch dort, so glaubt man, richtet über alle Schuld
Ein andrer Zeus der Toten einst ein Jüngst Gericht.-
So seid bedachtsam und verlaßt nicht diesen Ort,
Damit in Freuden eure Sache siegen mag. –

Pelasgos, der König von Argos, erscheint zu Wagen in priesterlich-königlichem Schmuck; ihn begleiten Bewaffnete.

PELASGOS:
Woher gebürtig soll ich den ungriechischen,
In fremder Kleidung und Verhüllung prangenden
Barbarenschwarm begrüßen? Nicht argolisch ist
Der Weiber Anzug, nicht hellenischem Brauch gemäß;
Und daß dem Land ihr sonder Herold, führerlos,
Niemandem gastbefreundet, hier dennoch zu nahn
Getrost gewagt habt, wunderbar erscheint es mir.
Zwar liegen nach der Schutzgewärtigen frommem Brauch
Ölzweige bei euch auf der Kampfgottheiten Herd;
Dies einzig kann entziffern ein hellenisch Aug;
Auf vieles sonst noch raten ließe Tracht und Art,
Wär uns zurechtzuweisen nicht dein Mund bereit,
Darum, so gib Antwort und sprich getrost zu mir.

CHORFÜHRERIN:
Von meiner Kleidung sagtest du kein irrig Wort;
Wie aber nenn ich dich denn? einen Bürgersmann,
Des Tempels hütenden Priester, Oberhaupt der Stadt?

PELASGOS:
Damit du unbesorgten Sinns antworten mögst,
Ich bin Palaichthons Sohn, des erdgeborenen,
Pelasgos heiß ich, dieses Landes Fürst und Herr;
Ein Volk, Pelasger nach mir selbst, dem Könige,
Ruhmvoll geheißen, pflügt die Fluren meines Reichs;
Und alle Lande, welche tränkt der Axios,
Der Strymon, nenn ich mein vom fernsten Westen her.
In meinen Marken liegen der Perrhaiber Gau'n,
Liegt Pindos' Abhang bis Paionias Feldern, liegt
Dodonas Bergland; Grenze setzt erst meinem Reich
Des Meeres Brandung. Dies zu jenem nenn ich mein.
Doch dieser Landschaft Boden wird seit alter Zeit
Zu seines Heilands Ehren Apia genannt;
Denn aus Naupaktia war es, daß Apollons Sohn,
Der Seherheiland Apis kam und unser Land
Von menschenmordenden Ungeheuern säuberte,
Die von alter Blutschuld grausenhaft der Erde Schoß
Befruchtet zeugte, eine fluchempörte Brut,
Ein drachenwimmelnd, allvernichtend Mordgenist.
Daß Apis truglos wider sie ausrottende
Und sühnende Mittel diesem Land anwendete,
Drum feiert dankbar sein Gedächtnis unser Dienst.
Nachdem du also weißest, was mich anbetrifft,
Nenn dein Geschlecht auch und erzähl das weitere;
Doch sind dem Volk weitschweifige Reden nicht beliebt.

CHORFÜHRERIN:
Hör's kurz und klar. Argiverinnen dürfen wir
Uns rühmen, Enkel jener hochbeglückten Kuh;
Das alles läßt dich wahr erfinden mein Bericht.

PELASGOS:

Unglaublich sagt ihr, unerhört, ihr Fremdlinge,
Daß dies Geschlecht von Argos euch sei stammverwandt;
Den Weibern Libyens seid ihr wahrlich ähnlicher,
Doch nun und nimmer unsren hier einheimischen;
Eh mag der Nilstrom nähren solche Blumenflur,
Der kyprische Zug in euer mädchenhaft Gesicht
Von dem Stempel eingepräget sein, der euch gezeugt;
Für Inder, die nomadisch auf der trabenden
Kamele Saumtierrücken fern das Heideland
Längs Aithiopias Marken scheu durchschweifen solln,
Für mannentwöhnte, menschenbluteslüsterne
Amazonen würd ich, wärt ihr Bogenschützen, ehr
Euch halten. Wissen möcht ich drum genau belehrt,
Wiefern nach Argos dein Geschlecht und Stamm gehört.

CHORFÜHRERIN:

Es soll des Heratempels Schlüsselwalterin
In Argos' Landen Io einst gewesen sein.

PELASGOS:
Die, wie es gleichfalls aller Menschen Sage weiß –

CHORFÜHRERIN:
Und weiter, heißt's nicht, daß sie Zeus umarmet hat?

PELASGOS:
Ja, ihre Liebe ward vor Hera offenbar.

CHORFÜHRERIN:
Und welches Ende nahm der Götter Zwist darauf?

PELASGOS:
Es schuf zur Kuh sie Argos' Göttin zürnend um.

CHORFRÜHRERIN:

Nicht wahr, es ging nun Zeus zur schöngehörnten Kuh?

PELASGOS:
So sagt man; ein kuhbrünstger Stier war's an Gestalt.

CHORFÜHRERIN:
Was tat des Zeus Gemahlin drauf in ihrer Macht?

PELASGOS:
Den allesschaunden Hüter sandte sie der Kuh.

CHORFÜHRERIN:

Wie nennst du den einsam allerspähnden Hirten, sprich?

PELASGOS:
Argos, den Sohn der Erde, den drauf Hermes schlug.

CHORFÜHRERIN:
Und was verhing sie nun der unglückselgen Kuh?

PELASGOS:
Den Stich der Mücke, den brennenden, rastlos jagenden –

CHORFÜHRERIN:
Die Bremse nennet man sie in dem Land am Nil.

PELASGOS:
Der aus der Heimat weit in weiter Flucht sie trieb.

CHORFÜHRERIN:
Jawohl; du sagest dies völlig überein mit mir.

PELASGOS:
Und gen Kanobos floh sie, floh gen Memphis' Stadt –

CHOR:
Da berührt' sie Zeus' Hand und erweckt den Samen ihr.

PELASGOS:
Wer rühmt sich, Zeus' Knäblein zu heißen und der Kuh?

CHORFÜHRERIN:
Epaphos, in Wahrheit alles Heiles Hort genannt.

PELASGOS:
Wer führte weiter sein Geschlecht? Sag's mir genau!

CHORFÜHRERIN:
Er zeugte Libya, weiter Lande Königin.

PELASGOS:
Wie nennst du wieder ihres Schoßes jungen Sproß?

CHORFÜHRERIN:
Belos, den Vater unsres Vaters, unsres Ohms.

PELASGOS:
So nenn des Vaters allenthüllenden Namen mir.

CHORFÜHRERIN:
Danaos, der Bruder unsres fünfzigsohnigen Ohms.

PELASGOS:
Auch dessen Namen vorenthalt uns länger nicht.

CHORFÜHRERIN:
Aigyptos. – So nun kundig meines alten Stamms,
Gedenk emporzurichten uns Argiverschar.

PELASGOS:
Wohl scheinet ihr ursprünglich teil an diesem Land
Zu haben; aber was hat euch vermocht, das Haus
Zu fliehn der Väter? Welch Geschick kam über euch?

CHORFÜHRERIN:
O Fürst, des Grams Gestalten sind unzählige,
Und Leiden siehst du neu und neuen Fluges nahn.
So wer gedachte dieser unerhörten Flucht,
Zu landen einst in Argos' urverwandtem Land,
In tiefstem Abscheu beides fliehend, Eh und Bett?

PELASGOS:
Wie sagst du, warum flehst du um dieser Götter Schutz,
In der Hand den weißumwundnen frischgepflückten Zweig?

CHORFÜHRERIN:
Um Magd Aigyptos' Söhnen nimmermehr zu sein.

PELASGOS:
Weil du sie hassest? Oder schreckt ein Frevel dich?

CHORFÜHRERIN:

Wer kann Verwandte über sich als Herren sehn?

PELASGOS:

Dann wird den Mächtgen sehr erhöht die eigne Macht.

CHORFÜHRERIN:
Bedrängte abzuschütteln kostet kleine Müh.

PELASGOS:
Wie kann ich euch barmherzig mich erzeigen, sprecht?

CHORFÜHRERIN:
Wenn Aigyptos' Söhn' uns fordern, liefre uns nicht aus.

PELASGOS:
Du forderst Schweres - daß ich beginne neuen Krieg!

CHORFÜHRERIN:

An deiner Seite kämpft der Schutzbefohlnen Recht!

PELASGOS:
Wenn's nur von Anfang eures Tuns Geleiter war!

CHORFÜHRERIN:

Fürst, scheu' den so umlaubten Altar deiner Stadt!

PELASGOS:
Mich entsetzt es, zweigumschattet diesen Sitz zu schaun.

CHOR:
Der Zorn des Schützlingshortes Zeus ist streng und schwer.


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