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Was ist Kritik? Was ist Literaturkritik?

Diagramme



Jan Kuhlbrodt


Was ist Kritik?
Was ist Literaturkritik?


„Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“  I. Kant



1.

Kritik ist Bestandteil der Aufklärung, da bin ich ganz bei Kant. Vor allem aber ist sie Selbstaufklärung, also weniger auf den oder gegen den Text gerichtet, als auf den Kritiker selbst.

2.

Das Fehlen substanzieller Kritik ist ein beklagenswerter Zustand, wie die Absenz der Aufklärung. (Dies ist nicht nur literarisch, sondern auch politisch beklagenswert.)

3.

Der Kritiker ist in erster Linie Leser. Mag sein, dass er ein spezifisches Interesse als Kritiker  an der Lektüre hat, dass er nicht rein zur Unterhaltung liest.

4.

Für mich ist Unterhaltung, die nicht von Erkenntnis (welcher Art auch immer) begleitet ist, keine Unterhaltung, sondern Langeweile.

5.

Ein Leser, der nicht zugleich Kritiker ist, ist eigentlich auch kein Leser, sondern ein Blätterer, unabhängig davon, ob er seine Kritik formuliert und schriftlich fixiert oder nicht.

6.

Der Leser einer Kritik ist Leser einer Kritik, und zugleich Kritiker dieser Kritik. Manchmal wird er zum Leser des Werkes, auf das sich die Kritik bezog, dann wird er zum Kritiker dieses Werkes. Kritik kann kritische Lektüre nicht ersetzen.

7.

Kritische Lektüre ist verstehende Lektüre.

8.

Wenn die Literaturkritik am Boden liegt oder unzulänglich ist, sind wir es, die am Boden liegen oder unzulänglich sind. Alle. Und jeder für sich kann von selbst wieder aufstehen.

9.

Was mich unterhält, kann ich mitteilen, was mich langweilt, nicht. Mehr noch, ich habe den Drang, das, was mich unterhält (vielleicht sogar im doppelten Sinn), mitzuteilen.

10.

Die Wertung geht der Kritik voraus, sie ist nicht ihr Ergebnis. Denn wenn ich mich einem Text zuwende, halte ich ihn für wert, mich mit ihm zu beschäftigen. Und mich mit ihm beschäftigen heißt, ihn zu verstehen in seinem Gehalt, seiner Machart, seiner Struktur, seiner Einbettung in die literarische Tradition oder in seinem Widerstand dazu etc.

11.

Erkenntnis des Textes ist Erkenntnis.

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