Direkt zum Seiteninhalt

Vicent Andrés Estellés: L’Hotel París / Hotel Paris (Auszug)

Werkstatt/Reihen > Reihen > Der Hafenstrahler

0
Vicent Andrés Estellés

Aus: L’Hotel París / Hotel Paris
Übertragen von Hans-Ingo Radatz


XXII

Com hi ha el fill sense els pares i els pares sense el fill
i xiques, al cinema, amb les cames obertes
i una mà entre les cuixes, i el rosari en família,
i hi ha el peó que es mata caent des d’un andami
i l’home que fa el pa i hi ha qui porta un metre
per saber el tamany escaient del taüt
i com hi ha els tramviaris que treballen la nit
de cap d’any i els forats de les piques i hi ha
l’ascensor amb un llum brut groguenc esperant
mentrestant la portera s’emborratxa de vi
i pixa per l’escala i la filla té por
i el marit està fent-ho amb la dona del metge
i els tramvies terribles amb l’enrenou dels ferros
i el metge que es dedica a trencar les anous
mentrestant la portera va pixant per l’escala
i trucant a les portes amb un colp de mamella
i el fill de la de l’arpa que s’ha mort fa tres dies
plora i plora i encén un ciri i posa el ciri
a l’ampolla del vi i contempla la Loren
i llavors la suïssa crida pel passadís
i el cosí la segueix brandant el canelobre
i la xica que es gita més aviat que mai
i un fred com una mà li puja per les cuixes
i hi ha un instant que pensa que té el cul més petit
i els veïns que s’han mort els dos intoxicats
l’altre dia i la dona i la filla no tenen
ganes de menjar res i ploren com les rates
i el cosí i la suïssa que dormen brutalment
i el canelobre encès i el cobertor encès
les cortines enceses i tot el pis encès

els nobles cavallers enterrats en els claustres
mentrestant la portera pixa pels escalons
i el marit no pot més i la dona del metge
se’n va i agafa el metge i li diu fill de puta
i se’l fica entre cames i tot es pega foc
i la nena que plora sola a la porteria
i les incripcions obscenes dels comuns

i el crani rebotant per tots els escalons.


XXII

Weil dem Kind Eltern fehlen – und anderen ihr Kind
und Mädchen sind, im Kino, die Beine weit geöffnet,
die Hand zwischen den Schenkeln; der Rosenkranz bei Tisch;
und da, der Bauarbeiter stürzt vom Gerüst zu Tode;
der Mann der unser Brot bäckt; und einer nimmt den Zollstock,
um die korrekte Länge des Sarges abzumessen;
und auch die Straßenbahner, die die Silvesternacht
durchfahren; und die Löcher von Spitzhacken; da ist
der Fahrstuhl, fahrbereit, mit seiner trüben Funzel;
derweil säuft die Portiersfrau mit Wein sich einen Rausch
und pisst ins Treppenhaus; die Tochter die hat Angst;
und der Portier treibt’s derweil laut mit der Frau des Arztes;
und die furchtbaren Trams mit dem Gekreisch der Räder;
und dort, der Arzt ist fleißig und knackt sich eine Walnuss,
derweil die Portiersfrau im Treppenhaus noch pisst;
dann klopft sie an die Türen mit Schlägen ihrer Brüste;
der Sohn der Harfentante, ist tot erst seit drei Tagen;
sie hört nicht auf zu weinen und steckt die Trauerkerze
in eine Rotweinflasche und schaut die Loren an;
die Schweizerin darauf brüllt lauthals durch den Flur,
gefolgt von dem Cousin, den Kandelaber schwingend;
und hier, das Mädchen geht heut früher noch zu Bett,
es steigt ihr eine Kälte handgleich die Schenkel hoch
und kurz denkt sie für sich, ihr Hintern sei zu klein;
und die gestorbnen Nachbarn die beiden Saufkumpanen,
erst kürzlich; Frau und Tochter haben seitdem auf nichts
mehr Appetit gehabt und heulen wie die Ratten;
der Cousin schläft brutal mit seiner Schweizerin,
es brennt der Kandelaber, es brennt der Bettbezug
und die Gardinen brennen, die ganze Wohnung brennt.

Die edlen Ritter liegen in Kreuzgängen begraben.
Und währenddessen pisst die Portierin auf die Treppe
Und ihr Mann kann nicht mehr, die Frau des Arztes geht,
schnappt sich den Arzt und nennt ihn einen Hurensohn,
zieht ihn zwischen die Schenkel und alles steht in Flammen
und im Portierskabuff weint ganz allein das Mädchen;
und die obszönen Sprüche auf dem Gemeinschaftsklo.

… und wie der Schädel Stufe um Stufe abwärts springt.


Aus: Vicent Andrés Estellés: Hotel Paris. Katalanisch / Deutsch. Aus dem valencianischen Katalanisch in deutsche Alexandriner übersetzt und herausgegeben von Hans-Ingo Radatz. Bamberg (University of Bamberg Press) 2024. 129 Seiten. 25,00 Euro.   
Bamberger Editionen 21, Hrsg. v. Enrique Rodrigues-Moura

https://fis.uni-bamberg.de/entities/publication/6d574592-b3d9-418d-886a-85c79542db05
Vicent Andrés Estellés (1924–1993) gilt als der bedeutendste valencianische Lyriker des 20. Jahrhunderts, wobei sein Erfolg nicht nur auf der Wertschätzung innerhalb des profes-sionellen Literaturbetriebs beruht; als nach dem Tod Francos in der jungen spanischen Demokratie alte Kultursprachen wie das Katalanische endlich nicht mehr aus dem Kultur-leben ausgeschlossen waren, begann im Land Valencia eine Wiederentdeckung der eigenen Sprache, Kultur und Geschichte. Estellés, dessen Verse oft von rebellischen Jugendlichen an die Wände Valencias gesprüht wurden, war mit seiner zugleich umgangssprachlichen und klassisch geformten, oft frechen, aber immer menschlichen Lyrik die literarische Identifika-tionsfigur dieser Bewegung.
Hans-Ingo Radatz (*1961) ist Professor für Romanische Sprachwissenschaft an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und zählt zu den führenden Katalanisten im deutsch-sprachigen Raum. Neben linguistischen Fachpublikationen hat er auch katalanische Lyrik ins Deutsche übersetzt, darunter den Klassiker des 15. Jahrhunderts Ausiàs March und, aus dem Provenzalischen, Gedichte des »letzten Trobadors« Jordi de Sant Jordi. Vor dem eben erschienenen Hotel Paris hatte er von Vicent Andrés Estellés bereits eine Gedichtanthologie veröffentlicht.

0
Zurück zum Seiteninhalt