Steinn Steinarr: Drei Gedichte
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Foto: Jón Kaldal
Steinn Steinarr
Drei Gedichte
(aus Kvæðasafn
& greinar / Gesamelte Gedichte und Aufsätze, Vaka-Helgafell,
Reykjavík 1988 )
Aus dem Isländischen übertragen von Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer
Sommer am Meer
Das sonnenweiße Licht
und das
summende Rauschen
sind meine Geschwister.
Ich saß und lauschte
und das
Meer kam zu mir
in Gestalt einer blonden Frau.
Ich sah die Nacht sich nähern,
und meine
Hand schlief,
während mein Herz wachte.
Und sie, die ich liebte,
lachte und
sprach:
Mich gibt es nicht.
Lied an eine Frau
Meine Liebe ist wie der Tod,
der deine Augen schließt
eines Abends spät im Sommer.
Du sitzt im Schutz der Bäume
und perlenweißer Mondschein
wird an deinen Lippen zittern.
Du siehst mir mit geschlossnen Augen
ins Gesicht, das schwindet
und niemals wiederkehren wird.
Ohne Bild
Oh, du und ich, die es nie gab.
Für einen Augenblick als flattere ein Schatten an der Wand
erschien dies Bild das für uns vorgesehen war.
Als kräusele die nächtliche Brise ein stilles Wasser
als schimmere es kalt und kurz an des Messers Schneide
als gäben rote Lippen Antwort ohne Worte.
Oh, schönes Bild, das uns gehörte.
Steinn Steinarr (Aðalsteinn Kristmundsson), wurde 1908 in
Laugaland in den Westfjorden Islands geboren, er starb 1958 in Reykjavík.
Als Sohn eines mittellosen Bauern wurde er auf einem anderen Hof untergebracht,
wo er den Dichter Stefán frá Hvítadal traf und in Jóhannes úr Kötlum, einem
weiteren Dichter des Landes, einen Lehrer fand. Ende der 20er Jahre zog er nach
Reykjavík und machte die Bekanntschaft mit dortigen Literaten, u.a. mit dem
späteren Literaturnobelpreisträger Halldór Laxness. Trotz seines eher schmalen
Werks von nur sechs Gedichtbänden, von denen der letzte, Tíminn og vatnið / Die Zeit und das Wasser aus dem Jahr 1948 vom Kleinheinrich
Verlag in Münster 1987 als erster Band der Reihe Isländische Literatur der
Moderne in deutscher Übersetzung erschienen ist, gilt der frühe
Verfechter der Notwendigkeit einer Erneuerung der isländischen Poesie vielen in
Island nicht nur als Vorreiter der dortigen sogenannten Atomdichtung, sondern
als einer der größten Dichter des Landes überhaupt.