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roughbooks

Verlage
Jan Kuhlbrodt

10 Jahre roughbooks
Ein Gespräch mit Christian Filips


Lieber Christian, zehn Jahre sind schnell um, finde ich und kann mich noch ganz gut an das roughbook 001mit Gedichten von Tim Turnbull erinnern, und jetzt seid Ihr schon bei 050. Es ging ja darum, wenn ich mich recht erinnere, eine Alternative zu den eingeführten Vertriebswegen im Buchhandel zu entwickeln. Haltet ihr das Experiment für geglückt?

Dass es jetzt 50 roughbooks gibt, lässt ja zumindest vermuten, dass es diese Form des Büchermachens geben kann. Also: Diese besondere Praxis, die eben unsere ist. Für mich ist das größte Glück dieses Ping-Pong, die präzise Schnelligkeit, das Unterlaufen der üblichen Formen, Vorschauen, Zeitpläne. Von der Idee zum Buch kann es mal zehn Jahre dauern, mal aber auch nur vier Wochen. Als Autor oder Übersetzer ist es ein Glück, der letzten Laune rasch nachgehen zu können. Ein Gegenüber zu haben. Ich bin ja zum Herausgeben nur gekommen, weil ich den Urs zwingen wollte, mit etwas weiterzumachen. Er wollte damals alles aufhören, nach der Finanzkrise und dem Ende von Urs Engeler Editor. Und da hab ich gesagt: Das erlaube ich nicht. Dann mache ich mit. Ohnehin leuchtet es mir ein, dass man sich um die Produktionsbedingungen gefälligst zu kümmern hat.
    Manchmal knicken wir auch ein. Zum Beispiel bei diesem ISBN-Nummern-Monopol. Wir wollten Bücher ohne ISBN machen. Aber da hängen dann Preise und Stipendien dran, die nicht vergeben werden, weil ohne ISBN ein Buch als gar nicht erschienen gilt. Und das haben viele Autorinnen und Autoren nicht mitgemacht. Also fügt man sich dem Monopolisten. Mit innerem Groll. Wartend auf die nächste Möglichkeit, irgendwie zu entkommen.

Außerdem verlegt ihr Texte, die sagen wir im landläufigen Sinn nicht zu Bestsellern werden. Über die Gründe könnte man lange reden, zumindest ich changiere da zwischen Unverständnis und Verstehen. Also ein Unverständnis darüber, warum Sachen, die ich großartig finde, nicht alle anderen auch großartig finden. Kann man bei Dir oder Euch auch eine gewisse Trotzhaltung konstatieren?

Na - was denkst Du denn? Schau uns doch mal an.

Zumindest hat mich das Roughbookabo dazu gebracht, dass es kaum einen Verlag gibt, von dem ich mehr gelesen habe. Ein paar der roughbooks gehören, wie zum Beispiel Bert Papenfuß' Rimbereid-Übersetzungen, zu meinen Lieblingsbüchern überhaupt. Wie habt ihr ausgewählt? Nach welchen Kriterien.

Ja, die Übersetzungen von Rimbereid hat Bert zusammen mit Tone Avenstroup gemacht. Wir haben eigentlich nur ein negatives Prinzip: Weder Urs noch ich legen Veto ein. Die Gründe des anderen sind die Gründe des andern. Oft unbegreiflich. In zehn Jahren scheint es offenbar 50 mal der Fall zu sein, dass wir beide nichts dagegen haben. Wir haben jedenfalls kein Buch nicht gemacht, das wir machen wollten.

Das heißt aber, es gibt kein ausgesprochenes ästhetisches Prinzip. Dennoch glaube ich, wenn man die Produktionen in der Gesamtschau nimmt, lässt sich schon sowas ausmachen, zumindest eine Tendenz. Kannst du das zumindest für Dich formulieren?

Naja, weißt Du: das mit dem Aussprechen ist so eine Sache. Natürlich könnte ich jetzt so einen Katalog an Kriterien aufstellen und sagen wir sagen: Nonkonformität, prozessuales Denken, Zwischensprachlichkeit. Aber ich halte nichts von ausgedachten Markierungen, die das labeln sollen oder marktgängig machen. Vielleicht kann man so sagen: möglichst geringe Teilhabe am Markt? Verhindern, dass es den für Poesie als Geltungsmacht gibt? Dem entkommst du aber nur, wenn du dann nicht beim Büchermachen anfängst, dich selber wieder auszubeuten. Nächte durchzuarbeiten an Sachen, die man nicht aus anderen, obsessiven Gründen ohnehin machen muss. Jeder von uns hat natürlich Prinzipien. Die, um in meinem Namen zu sprechen, sämtlich auf Gelegenheiten warten, in denen ich sie verraten kann! Denn nichts ist ja schöner als die eigenen Prinzipien zu verraten, weil man sich zu was scheinbar Besserem hat verführen lassen. Zu etwas, das noch nicht denkbar oder sagbar schien. Aber das klingt auch schon wieder so definiert. Die Ausgangslage ist zumeist: Ach, es muss was geschehen. So kann es nicht mehr weitergehen.

Es gibt ja eine Reihe Bücher, die die Genre und Gattungsgrenzen überschreiten. Wenn man zum Beispiel Hamachers Texte nimmt, so arbeiten sie doch am Rand des Theoretischen. Hin zu einem eigenen künstlerischen Ausdruck?

Werden die Genres nicht überhaupt erst durch ihre Überschreitung kenntlich? Ich denke nicht, dass Werner Hamacher seine essayistischen Einsichten als Kunst definiert hätte. Dazu war sein Respekt vor künstlerischen Vorgängen zu groß. Aber dass sie am Rand von etwas stehen, gleichsam marginal sind: Diesen Eindruck kann ich gut nachvollziehen. Und: Ja, wir bewegen uns eben frei. Es gibt ja keine Reihen, die vorgeben: Jetzt brauchen wir wieder Essay. Vielleicht führt das auch dazu, dass uns Texte erreichen, die selber offene Strukturen haben.

Wie wichtig sind Euch Übersetzungen? Und formulieren sie nicht auch eine je eigene Poetik der Übersetzung? Wenn man zum Beispiel Rimbereid, Mechthild von Magdeburg oder Norbert Langes Rothenberg-Übersetzung nebeneinanderlegt?

Ja, wir haben wohl besonders häufig Übersetzungen veröffentlicht, bei denen der Vorgang des Übersetzens Gegenstand war. Also dialektisch gesprochen. Die übersetzerische Neutralität, eine Chimäre. Du trägst dich immer ein. Nimmst so oder so - schon syntaktisch - eine Stellung ein zum Original. Und das fängt beim Zustand an, in dem du dich während des Übersetzens befindest. Sprichst du die Sprache überhaupt, semantisch? Was siehst du, wenn du sie nicht sprichst, mitunter sogar besser? Übersetzt du allein, zu zweit, im Kollektiv? Mit philologischer Akribie (wie Uljana Wolf bei Erín Moure oder Werner Hamacher bei Jean Daive), im Zustand vulkanischer Trance (wie Christiánður Filipsson in seinen isländischen Übersetzungen), unter Hypnose (wie Monika Rinck bei ihren Überschreibungen von Magnus William-Olsson) oder als Korrektur des Originals (Para-Riding). Und umgekehrt gibt es solche sich übersetzenden Vorgänge ja auch im Inneren von Texten. So hat zum Beispiel das roughbook 44 (Dieses Buch trägt diesen Titel) sich selbst herausgegeben. Norbert Langes Rothenberg-Übersetzung beginnt auf dem Cover mit polnischem Jiddisch, mit einer verlornen Sprache.

Wie wird es weitergehen? Habt Ihr schon konkrete Pläne?

Das bleibt auch für uns eine Überraschung! Im Moment freuen wir uns noch über roughbook 50: Weißes Cover. Thanatos von Svein Jarvoll, in der sehr guten Übersetzung von Matthias Friedrich. Nach diesem Totenbuch geht es vielleicht erst richtig los mit der Auferstehung..

Lieber Christian, ich bin gespannt.
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