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René Descartes: Betrachtungen über die Grundlagen, Teil 3

Poeterey
René Descartes
 
Betrachtungen über die Grundlagen der Philosophie.

(Meditationes de prima philosophia, 1641)

Übersetzt von Ludwig Fischer
 


Dritte Betrachtung.
Das Dasein Gottes.

Nun will ich meine Augen schließen, meine Ohren verstopfen, alle meine Sinne will ich abwenden, sogar die Bilder von körperlichen Gegenständen will ich alle aus meinem Denken vertilgen oder, da dies doch kaum möglich sein dürfte, will ich sie wenigstens als leere Trugbilder für nichts achten. Zu mir allein will ich reden und in mein Innerstes blicken, und mich so allmählich mit mir selbst bekannter und vertrauter zu machen suchen.

Ich bin ein Wesen, welches denkt, d. h. zweifelt, bejaht, verneint, einiges erkennt, vieles nicht weiß, will und nicht will, vorstellt und auch empfindet. Obwohl nämlich das, was ich denke oder vorstelle außer mir vielleicht nichts ist, so sind doch, wie ich bereits oben bemerkte, sicherlich jene Denkweisen, die ich Sinne und Vorstellungen benenne, insofern sie lediglich als Denkweisen gefaßt werden, etwas Wirkliches in mir.

Mit diesen wenigen Worten nun habe ich alles angeführt, was ich wirklich weiß, soweit mir wenigstens bis jetzt klar geworden ist, daß ich es weiß.

Nun will ich sorgfältiger um mich schauen, ob sich vielleicht noch anderes bei mir findet, das ich bisher unbeachtet ließ.

Ich bin sicher, daß ich ein denkendes Wesen bin; müßte ich denn also nicht auch wissen, was dazu gehört, daß ich einer Sache sicher bin?

Es ist doch in jener ersten Erkenntnis nichts Anderes enthalten als eine klare und deutliche Auffassung dessen, was ich behaupte. Diese aber könnte offenbar nicht genügen, mich der Wahrheit eines Gegenstandes zu vergewissern, wenn es überhaupt möglich wäre, daß etwas, das ich so klar und deutlich einsehe, nicht wahr sei. Somit darf ich wohl als allgemeine Regel festhalten: »Wahr ist alles das, was ich ganz klar und deutlich einsehe.«

Allein ich habe ja früher vieles als ganz gewiß und offenbar gelten lassen, und fand nachher doch, daß es ungewiß sei. Was war denn dies? Es war Erde und Himmel, die Sterne und alles andere, das ich mit den Sinnen erfaßte.

Was aber war mir denn dabei so klar? – Offenbar nur, daß dergleichen Vorstellungen oder Gedanken meinem Geiste sich darstellten.

Daß jene Vorstellungen in mir stattfinden, das leugne ich ja auch jetzt nicht. Es war aber noch etwas Anderes, das ich behauptete und so zu glauben gewohnt war, daß ich es sogar deutlich wahrzunehmen meinte, während ich es in der That doch nicht wahrnahm: nämlich das Dasein von Dingen außer mir, von denen jene Vorstellungen ausgingen und denen dieselben ganz ähnlich wären. Hierin aber irrte ich entweder, oder, falls ich recht hatte, ergab sich mir dies sicherlich nicht kraft meiner Wahrnehmung.

Wie verhielt es sich aber, wenn ich in der Arithmetik oder Geometrie irgend etwas ganz Einfaches und Leichtfaßliches betrachtete, wie z. B. daß zwei und drei zusammen fünf giebt und dergleichen? Solche Sätze wenigstens sah ich doch wohl klar genug ein, um behaupten zu können, sie seien wahr? – Allerdings erklärte ich sie später auch nur aus dem einzigen Grunde für zweifelhaft, weil mir in den Sinn kam, es hätte vielleicht ein Gott mich so schaffen können, daß ich selbst in den scheinbar handgreiflichsten Dingen mich meiner Natur nach in Irrtum befinde. So oft diese vorgefaßte Meinung von Gottes Allmacht mir aufstößt, muß ich allerdings gestehen, daß Gott, wenn er nur wolle, mich leicht könne irren lassen, selbst in Dingen, die ich mit meinen geistigen Augen aufs klarste zu sehen meine. Wende ich mich dann aber den Dingen selbst zu, die ich so ganz klar wahrzunehmen glaube, so werde ich jedesmal so ganz von der Wahrheit durchdrungen, daß ich unwillkürlich in die Worte ausbreche: »täusche mich einer, wenn er es vermag! das wird er doch niemals zu Wege bringen, daß ich nichts bin, während ich denke ich sei etwas! oder daß es je wahr wäre, daß ich nie gewesen, da ich doch nun wirklich bin; – oder auch, daß zwei und drei zusammen mehr oder weniger als fünf sei u. dgl., denn darin erkenne ich einen offenbaren Widerspruch

Da ich nun aber sicherlich keine Veranlassung zu der Annahme habe, es sei ein Gott, der mich täuscht; ja, da ich nicht einmal sicher weiß, ob es überhaupt einen Gott giebt, so ist ein Zweifel, der sich lediglich auf diese Annahme stützt, sehr schwach und sozusagen metaphysisch begründet. Doch auch diesen letzten Zweifel will ich beseitigen und muß daher, sobald sich Gelegenheit dazu bietet, untersuchen, ob ein Gott ist, und, falls er ist: ob er ein Betrüger sein kann. Solange ich nämlich dies nicht weiß, kann ich wohl überhaupt über nichts jemals Gewißheit erlangen!

Doch um den Verlauf der Untersuchung nicht zu unterbrechen, dürfte es zunächst angemessen sein, alle Gedanken in gewisse Gattungen einzuteilen und festzustellen, worin Wahrheit und Irrtum eigentlich besteht.

Gewisse Gedanken nun sind gleichsam Bilder von Dingen, und diesen allein kommt eigentlich der Name »Vorstellung« zu; so z. B. wenn ich mir einen Menschen, eine Chimäre, den Himmel, einen Engel oder Gott denke.

Andere Gedanken haben außerdem noch eine andere Form. Wenn ich z. B. will, wenn ich fürchte, bejahe, verneine, so denke ich mir zwar stets ein Etwas, das diesem Denken zu Grunde liegt, aber ich denke mir noch etwas mehr dabei als ein bloßes Bild von jenem Etwas. Solche Gedanken sind einmal die sogenannten Begehrungen oder Affekte, dann die Urteile.

Was nun die Vorstellungen anbetrifft, so können sie eigentlich nicht falsch sein, wenn man sie nur an sich betrachtet und auf nichts anderes bezieht. Ob ich eine Ziege oder eine Chimäre mir vorstelle: daß ich es vorstelle, ist im einen Fall ebenso wahr wie im andern!

Auch beim Willen und den Affekten brauche ich keinen Irrtum zu fürchten, denn wenn ich auch Schlechtes oder ganz und gar Unmögliches wünschen kann, so bleibt es darum doch immer wahr, daß ich solches begehre.

So bleiben nur die Urteile allein, bei denen ich mich vor Irrtum hüten muß.

Es ist dann auch zu beachten, daß jede eigentliche Vorstellung eines Gegenstandes schon implicite ein solches Urteil enthält, welches, wenn man die Vorstellung lediglich als Denkweise betrachtet, nur durch ein zweites Urteil in gewisser Weise eingeschränkt wird.

Der hauptsächlichste und häufigste Irrtum aber, den man in ihnen finden kann, besteht darin, daß ich meine, die Vorstellungen, die in mir sind, seien gewissen Dingen außer mir ähnlich und entsprechend. In der That, wenn ich die Vorstellungen nur als gewisse Arten meines Denkens betrachten und auf nichts Anderes beziehen würde, so könnten sie mir kaum irgend einen Stoff zum Irrtum geben.

Von diesen Vorstellungen nun sind die einen, dem Anscheine nach, mir angeboren, andere sind mir von außen gekommen, andere aber habe ich mir selbst gebildet. Wenn ich erkenne, was »Ding«, »Wahrheit«, »Denken« ist, so kann ich dies wohl lediglich aus meinem eigenen Wesen schöpfen. Höre ich dagegen ein Geräusch, sehe ich die Sonne, fühle das Feuer, so meinte ich bisher, dies käme von Dingen außer mir. Vorstellungen aber wie Sirenen, Hippogryphen u.dgl. bilde ich mir selbst. Doch ich könnte auch annehmen, alle Vorstellungen kämen von außen, oder alle seien mir angeboren, oder alle seien von mir gebildet; noch habe ich ja ihren wahren Ursprung nicht klar erkannt!

Doch hier handelt es sich vorzüglich um diejenigen, welche ich als entlehnt von Dingen außer mir ansehe, und es fragt sich: was veranlaßt mich, diese Vorstellungen für Abbilder von Dingen zu halten?

Die Natur scheint es mich eben so gelehrt zu haben. Zudem erwarte ich auch, daß diese Vorstellungen nicht von meiner Willkür, mithin nicht von mir, abhängen, denn oft habe ich sie selbst gegen meinen Willen. So empfinde ich Wärme, ob ich nun will oder nicht; darum glaube ich, die Wärme-Empfindung oder Vorstellung komme mir von etwas, das von mir ganz verschieden ist, von der Wärme des Feuers, bei dem ich sitze; was ist dann aber näherliegend als die Meinung, jenes Ding sende mir eher Seinesgleichen zu als etwas Anderes?

Wenn ich hier sage: »die Natur hat es mich so gelehrt,« so meine ich damit nur, ein unwillkürlicher Trieb bringe mich zu diesem Glauben, nicht aber ein natürliches Erkenntnisvermögen»lumen naturale«. stelle es mir als wahr hin. Das sind zwei sehr verschiedene Dinge! Was mir nämlich durch das natürliche Erkenntnisvermögen einleuchtet (wie z.B. der Satz, daß aus meinem Zweifeln mein Sein folgt und Ähnliches), das kann in keiner Weise zweifelhaft sein, weil es kein anderes Vermögen geben kann, dem ich so, wie jenem Lichte der Erkenntnis vertraue, oder das mir klar machen könnte, es sei nicht wahr, was ich vermöge jenes Lichtes erkenne.

Bemerkenswert ist übrigens, daß Descartes jetzt dem »ich denke, ich bin« vollkommenste Gewißheit vermöge des natürlichen Lichtes zuschreibt, während er oben erklärte, noch einen Zweifel an der Wahrheit dieses Satzes beseitigen zu müssen. Nach unserer an jener Stelle gegebenen Erläuterung kann dies nicht als ein Widerspruch angesehen werden. Das »natürliche Licht« zeigt uns, daß jener Satz der wahrste und sicherste ist. Wir können daran keinen realen, wirklichen Zweifel hegen. Theoretisch aber, formal, ist es stets möglich, zu sagen, ich zweifle, also einen Zweifel zu fingieren. Um einen solchen fingierten Zweifel handelte es sich an jener Stelle. Descartes nannte ihn einen »metaphysischen« Zweifel. Er stützte sich darauf, daß es doch möglich sei, daß wir notwendig stets irrende Wesen seien, und daß es ein Irrtum sei, wenn ich zu sein glaube. Das ist eine Fiktion, die wir niemals wirklich glauben können, die den Thatsachen unseres Bewußtseins widerspricht. Um aber selbst diesem Zweifelsgrund den Boden zu entziehen, untersucht Descartes das Wesen Gottes.

– Was aber die natürlichen Triebe anlangt, so habe ich schon früher oftmals gefunden, daß ich von ihnen zum Schlechten angetrieben wurde, wenn es sich darum handelte, das Gute zu erwählen; und ich sehe nicht ein, warum ich ihnen in anderen Dingen mehr Vertrauen schenken soll.

Wenn nun aber auch jene Vorstellungen unabhängig sind von meinem Wollen, so ist damit noch nicht gesagt, daß sie von außer mir liegenden Dingen herkommen. Gleich wie die oben erwähnten Triebe wohl in mir sind, aber gleichwohl von meinem Wollen verschieden zu sein scheinen, so könnte es wohl auch ein anderes mir nur noch nicht hinreichend bekanntes Vermögen in mir geben, das jene Vorstellungen hervorbringt. So habe ich es ja bisher auch schon immer beobachtet, daß im Schlafe ohne irgend welches Zuthun äußerer Dinge Vorstellungen in mir entstehen!

Selbst wenn aber schließlich auch die Vorstellungen von äußeren Dingen herrührten, so folgt daraus doch noch nicht, daß sie jenen Dingen auch ähnlich sein müßten; meine ich doch vielmehr häufig gerade hier einen großen Unterschied angetroffen zu haben. So finde ich in mir beispielsweise zwei verschiedene Vorstellungen von der Sonne. Die eine hat ihren Ursprung in den Sinnen und ist hauptsächlich zu jenen zu rechnen, die ich meiner Meinung nach von außen erhalte; nach dieser Vorstellung erscheint mir die Sonne sehr klein. Die andere Vorstellung habe ich aus astronomischen Beweisen gewonnen, d.h. ich habe sie aus gewissen mir angeborenen Begriffen heraus entwickelt oder in irgend einer anderen Weise gebildet; hiernach stellt sich die Sonne vielmal größer als die Erde dar. Beide Vorstellungen können aber der einen außer mir befindlichen Sonne nicht ähnlich sein, und die Vernunft sagt mir, daß gerade diejenige ihr am unähnlichsten ist, die doch am allerunmittelbarsten von der Sonne selbst herzukommen schien!

Aus alledem geht zur Genüge hervor, daß nicht ein sicheres Urteil, sondern nur ein blinder Trieb mich zu der Meinung veranlaßte, es gebe Dinge, die von mir verschieden sind und mir Vorstellungen oder Bilder von sich durch Vermittlung der Sinnesorgane oder auf andere Weise zusenden.

Es zeigt sich mir aber noch ein anderer Weg, um festzustellen, ob einige von den Dingen, deren Vorstellungen ich in mir habe, auch außer mir existieren. Inwiefern nämlich jene Vorstellungen lediglich gewisse Arten des Denkens sind, finde ich zwischen ihnen keinen Unterschied und alle scheinen in gleicher Weise aus mir hervorzugehen. Insofern aber die eine dies, die andere das darstellt, sind sie offenbar sehr verschieden voneinander. Ohne Zweifel sind die, welche Substanzen darstellen, in gewisser Beziehung mehr; sie enthalten sozusagen mehr objektive Realität in sich als die, welche nur Eigenschaften oder Accidenzen darstellen; und wenn ich einen höchsten Gott vorstelle, der ewig, unendlich, allweise, allmächtig und der Schöpfer aller Dinge ist, die außer ihm sind: so hat wiederum diese Vorstellung mehr objektive Realität in sich als die, welche endliche Substanzen darstellen.

Nun sagt uns aber unser natürliches Erkenntnisvermögen, daß in der ganzen wirkenden Ursache mindestens ebensoviel Realität enthalten sein muß, als in der Wirkung ebendieser Ursache. Woher könnte denn die Wirkung anders ihre Realität empfangen, als von der Ursache? und wie könnte die Ursache diese geben, wenn sie sie nicht selbst hätte?

Daraus aber ergiebt sich, daß weder etwas aus Nichts entstehen kann, noch ein Vollkommneres (d.h. mehr Realität Enthaltendes) aus einem Unvollkommneren. Und das gilt offenbar nicht nur für diejenigen Wirkungen, deren Realität eine aktuale oder formale ist, sondern auch für die Vorstellungen, bei denen nur eine objektive Realität in Betracht kommt. Das heißt also, es ist ganz unmöglich, daß beispielsweise ein Stein, der bisher nicht da war, jetzt zu sein anfange, es sei denn, daß er von etwas Anderem ins Dasein gerufen wird, in dem das ganze Sein, das im Steine gesetzt wird, entweder im gleichen oder in höherem Grade enthalten ist, ebenso wie es auch unter anderem unmöglich ist, daß einem Dinge, das bisher nicht warm war, Wärme zugeführt werde außer von einem anderen Dinge, das mindestens auf derselben Seinsstufe steht, wie die Wärme. Ich konnte aber auch nicht einmal die Vorstellung der Wärme oder des Steines haben, wenn sie nicht durch eine Ursache in mir hervorgerufen ist, die mindestens ebensoviel Realität enthält, als ich im Steine oder in der Wärme vorstelle.

Zwar geht nichts von der aktualen oder formalen Realität der Ursache in meine Vorstellung über, man darf aber darum doch nicht glauben, diese Vorstellung müsse darum weniger real sein, vielmehr bedarf die Vorstellung an sich ihrem Wesen nach keiner anderen formalen Realität außer der, die sie von meinem Denken entlehnt, dessen Modus sie ist. Damit aber diese Vorstellung gerade diese oder jene objektive Realität enthalte und nicht eine andere, dazu bedarf sie einer Ursache, die wenigstens ebensoviel formale Realität besitzt, als sie selbst an objektiver Realität enthält.

Denn gesetzt den Fall, in der Vorstellung finde sich etwas, das in ihrer Ursache nicht war, so hätte sie es folglich von nichts. So unvollkommen nun auch jene Seinsweise sein mag, durch die ein Ding im Geiste durch die Vorstellung vergegenständlicht ist, so ist sie sicherlich doch nicht völlig gleich Null und kann daher auch nicht aus Nichts hervorgehen.

Da die Realität, die ich in meinen Vorstellungen anschaue, nur eine objektive ist, so könnte man meinen, dieselbe Realität brauche nicht formal in den Ursachen jener Vorstellungen zu sein, es genüge, wenn sie in ihnen ebenfalls objektiv sei. Doch diese Annahme ist unzulässig; denn wie die objektive Seinsweise den Vorstellungen ihrem Wesen nach entspricht, so entspricht die formale Seinsweise den Ursachen der Vorstellungen, deren Natur gemäß; wenigstens den ersten und hauptsächlichsten Ursachen. Es kann ja wohl auch eine Vorstellung aus einer anderen hervorgehen, aber ohne Ende kann das nicht fortgehen; schließlich muß man doch bei einer ersten Vorstellung ankommen, deren Ursache gleichsam das Original ist, in dem alle Realität formal (wirklich) enthalten ist, die sich in der Vorstellung nur objektiv findet.

So leuchtet mir nun vermöge meiner natürlichen Erkenntniskraft ein, daß meine Vorstellungen gleichsam Bilder sind, die zwar leicht hinter der Vollkommenheit der Dinge, von denen sie herrühren, zurückbleiben, niemals aber Größeres oder Vollkommneres als jene enthalten können.

Je länger und sorgfältiger ich dies alles prüfe, um so klarer und deutlicher sehe ich seine Richtigkeit ein. Was folgt nun aber schließlich daraus?

Wenn die objektive Realität einer von meinen Ideen so groß ist, daß sie mit Gewißheit weder mit demselben noch mit einem höheren Grade von Realität in mir enthalten sein und ich selbst mithin nicht ihre Ursache sein kann, so folgt daraus notwendig, daß ich nicht allein in der Welt bin; es muß noch etwas Anderes existieren, das die Ursache jener Vorstellung ist. Findet sich in mir aber keine solche Vorstellung, so hätte ich gar keinen Grund, der mich der Existenz eines Wesens außer mir versicherte. Ich habe mich ja aufs sorgfältigste nach allem umgeschaut, konnte aber bis jetzt nichts anderes finden!

Unter meinen Vorstellungen nun – außer der von mir selbst, die uns hier keine Schwierigkeiten bereitet – befindet sich eine, die Gott, andere, die Körper und leblose Wesen, wieder andere, welche Engel, dann solche, die Tiere und schließlich solche, die Menschen meinesgleichen vorstellen.

Was die Vorstellungen von anderen Menschen, von Tieren und von Engeln anbetrifft, so erkenne ich leicht, daß dieselben aus denen, die ich von mir, den Körpern, und Gott habe, sich bilden lassen, selbst wenn es außer mir weder Menschen noch Tiere noch Engel in der Welt gäbe.

In den Vorstellungen von Körpern aber findet sich nichts, das so viel Realität besäße, daß es nicht auch aus mir selbst hätte hervorgehen können. Denn wenn ich genauer zusehe und sie einzeln prüfe, wie ich gestern die Vorstellung des Wachses prüfte, so bemerke ich nur Weniges, das ich an ihnen klar und deutlich auffasse, nämlich die Größe oder die Ausdehnung in Länge, Breite und Tiefe, ferner die Gestalt, die durch die Begrenzung der Ausdehnung entsteht; die Lage, welche verschiedene Gestaltungen gegeneinander einnehmen, und die Bewegung, oder die Veränderung dieser Lage. Man könnte noch hinzufügen Substanz, Dauer und Zahl. Alles übrige aber, wie Licht und Farben, Töne, Gerüche, Geschmack, Wärme und Kälte sowie die anderen fühlbaren Eigenschaften denke ich nur ganz verworren und dunkel, und weiß darum auch nicht, ob sie wahr oder falsch sind, d. h. ob die Vorstellungen, die ich von ihnen habe, Vorstellungen von Dingen oder von Nichtdingen sind. Wiewohl nämlich, wie ich kurz vorher bemerkte, die eigentliche oder formale Falschheit nur in Urteilen anzutreffen ist, so giebt es doch auch eine materiale Falschheit in den Vorstellungen, wenn sie nämlich ein Nichtding als Ding vorstellen.

So sind beispielsweise die Vorstellungen von Wärme und Kälte so wenig klar und deutlich, daß ich aus ihnen nicht entnehmen kann, ob die Kälte nur ein Mangel an Wärme ist, oder die Wärme ein Mangel an Kälte, oder ob beides wirkliche Eigenschaften sind, oder keines von beiden. Da nun aber alle Vorstellungen nur Vorstellungen von Dingen sein können, so würde die Vorstellung, die mir die Kälte als etwas Wirkliches und Positives hinstellt, nicht mit Unrecht falsch genannt werden, falls wirklich Kälte lediglich Wärmemangel wäre. Entsprechendes gilt in den anderen Fällen.

Hiernach nun ist es in der That nicht nötig, für diese Vorstellungen einen anderen Urheber als mich selbst zu suchen. Denn sind sie falsch, d.h. stellen sie keine Dinge dar, so sagt mir mein natürliches Erkenntnisvermögen, daß sie aus Nichts hervorgehen, d.h. daß sie nur darum in mir sind, weil meiner Natur etwas fehlt, weil sie nicht ganz vollkommen ist. Sind sie aber wahr, so bieten sie mir doch so wenig Realität dar, daß ich sie nicht einmal von dem Nichtseienden unterscheiden kann, und ich sehe nicht ein, warum sie nicht aus mir selbst hervorgehen könnten.

Von dem dagegen, was in den Vorstellungen von Körpern klar und deutlich ist, könnte ich wohl einiges von der Vorstellung meines Ich entlehnt haben, nämlich Substanz, Dauer, Zahl und ähnliches. Ich denke mir nämlich den Stein als eine Substanz oder ein Wesen, das durch sich selbst zu bestehen vermag. Ich denke mir ferner mein Ich als Substanz. Nun fasse ich zwar mich selbst als denkendes, nicht ausgedehntes Wesen, den Stein aber als ausgedehntes, nicht denkendes Wesen auf, und es ist somit ein sehr großer Unterschied zwischen beiden Auffassungen. Darin aber stimmen sie doch überein, daß beide Substanzen sind. Ebenso, wenn ich wahrnehme, daß ich jetzt bin, und mich erinnere, daß ich auch früher eine Zeitlang bestand; wenn ich ferner mehrere Gedanken habe, deren Zahl ich kenne, so gewinne, ich die Vorstellungen von Dauer und Zahl, die ich nun auch auf beliebige andere Dinge übertragen kann.

Alles andere aber, aus dem die Vorstellungen von Körpern sich zusammensetzen, wie Ausdehnung, Gestalt, Lage, Bewegung, sind zwar in mir, der ich lediglich denkendes Wesen bin, nicht wirklich (»formaliter«) enthalten, da sie aber nur gewisse Eigenschaften einer Substanz sind, ich aber selbst eine Substanz bin, so können sie offenbar in mir, vermöge meiner größeren Realität (»eminenter«) enthalten sein.

So bleibt also allein die Vorstellung Gottes übrig, bei der es sich fragt, ob sie etwas enthält, das aus mir nicht hat hervorgehen können.

Unter »Gott« verstehe ich ein unendliches, unabhängiges, allweises, allmächtiges substanzielles Wesen, von dem ich und alles, was etwa noch außer mir existiert, geschaffen bin. Diese ganze Vorstellung ist derartig, daß ich um so weniger mir denken kann, sie sei aus mir selbst hervorgegangen, je sorgfältiger ich sie ins Auge fasse.

So ergiebt sich denn aus dem oben Gesagten, daß Gott notwendig ist. Zwar habe ich eine Vorstellung von Substanz, weil ich selbst Substanz bin; dies kann jedoch nicht die Vorstellung einer unendlichen Substanz sein, da ich selbst endlich bin, eine solche Vorstellung kann vielmehr nur von einer wirklich unendlichen Substanz hervorgehen.

Auch darf ich nicht etwa glauben, ich erfasse das Unendliche nicht durch eine wirkliche Vorstellung, sondern nur durch Negation des Endlichen, ähnlich wie ich die Ruhe und die Finsternis durch Negation der Bewegung und des Lichtes erfasse. Ich erkenne vielmehr ganz klar, daß die unendliche Substanz mehr Realität enthält als die endliche; daß mithin in gewissem Sinne die Vorstellung des Unendlichen der des Endlichen, d.h. die Vorstellung Gottes, der des Ich vorausgeht. Wie könnte ich denn wissen, daß ich zweifle, daß ich begehre, d.h. daß mir etwas fehlt, und daß ich unvollkommen bin, wenn in mir nicht die Vorstellung eines vollkommneren Wesens wäre, mit dem ich mich vergleichen kann, um meine Mängel zu erkennen?

Auch kann man nicht sagen, diese Gottes-Vorstellung sei vielleicht material falsch und könne daher ebenso gegenstandslos sein, wie ich es vorhin von den Vorstellungen der Wärme und Kälte und von ähnlichem bemerkte. Im Gegenteil vielmehr: sie ist äußerst klar und bestimmt und enthält mehr objektive Realität, als irgend eine andere, und darum ist keine an sich wahrer, bei keiner ist der Verdacht der Falschheit mehr ausgeschlossen als bei ihr!

Diese Vorstellung eines vollkommensten und unendlichen Wesens, sage ich, ist (material) vollkommen wahr: Könnte man vielleicht auch sich einbilden, ein solches Wesen existiere nicht; das kann ich mir doch nicht einbilden, daß die Vorstellung desselben mir nichts Reales biete, wie ich es vorhin von der Vorstellung der Kälte sagte.

Jene Vorstellung ist aber auch vollkommen klar und bestimmt, denn in ihr ist alles völlig enthalten, was ich klar und deutlich wahrnehme, was wirklich und wahr ist und eine gewisse Vollkommenheit in sich schließt!

Auch das laßt sich nicht einwenden, daß ich das Unendliche nicht zu fassen vermag und daß sogar unzähliges Andere in Gott ist, das ich weder erfassen, noch auch überhaupt mit meinem Denken irgendwie erreichen kann.

Es liegt nämlich in der Natur des Unendlichen, daß es von mir, der ich endlich bin, nicht begriffen werden kann, und es genügt, daß ich dies einsehe und erkenne, daß alles, was ich klar auffasse, und worin ich eine gewisse Vollkommenheit erkannt habe, ebenso wie vielleicht noch unzähliges andere, von dem ich nichts weiß, in Gott wirklich enthalten oder in seiner Seinsfülle einbegriffen sei. Die Vorstellung, die ich von Gott habe, ist dann die wahrste, klarste und deutlichste aller meiner Vorstellungen.

Vielleicht aber bin ich mehr als ich selbst meine; vielleicht sind alle jene Vollkommenheiten, die ich Gott zuschreibe, gewissermaßen potential in mir, wenn sie sich auch noch nicht äußern und zur Wirklichkeit gelangen? – Ich bemerke ja, wie meine Erkenntnis sich allmählich erweitert, und ich sehe nicht ein, warum sie sich so nicht mehr und mehr bis ins Unendliche erweitern sollte, und warum ich ferner nicht mit Hilfe dieser so vermehrten Erkenntnis zu allen übrigen Vollkommenheiten Gottes gelangen könnte, und endlich, warum das Vermögen zu diesen Voll-kommenheiten, wenn es in mir ist, nicht hinreichen sollte, die Vorstellung derselben hervorzubringen!

Doch alles dies ist unmöglich! Erstens nämlich, gesetzt auch, meine Erkenntnis nehme allmählich zu, und vieles sei potential in mir, das noch nicht in Wirksamkeit getreten, so gehört doch nichts von alledem zur Vorstellung Gottes, in der es überhaupt nichts Potentiales giebt. Gerade das allmähliche Zunehmen ist ja der sicherste Beweis der Unvollkommenheit! – Nähme aber auch zweitens meine Erkenntnis immer mehr zu, so sehe ich gleichwohl nicht ein, wie sie je dadurch ein aktual Unendliches werden sollte, da sie niemals dahin gelangen wird, daß sie keines weiteren Zuwachses mehr fähig wäre. Gott aber fasse ich als ein aktual Unendliches auf, und seiner Vollkommenheit kann nichts zugefügt werden. – Ich sehe aber drittens auch ein, daß das objektive Sein der Vorstellung nicht durch ein bloß potentiales Sein, das richtig gesagt, Nichts ist, hervorgebracht werden kann, sondern lediglich durch aktuales oder formales Sein.

Alles dies kann man bei genauer Aufmerksamkeit durch das natürliche Erkenntnisvermögen ganz klar einsehen. Bin ich aber weniger aufmerksam, und die sinnlichen Vorstellungsbilder trüben mein geistiges Auge, so vermag ich mir nicht so leicht Rechenschaft darüber zu geben, warum die Vorstellung eines vollkommneren Wesens als ich, notwendig von einem wirklich vollkommneren Wesen herrühren muß. Darum will ich ferner zusehen, ob ich, der ich jene Vorstellung habe, auch sein könnte, wenn es kein solches Wesen gäbe?

Da fragt sich's nun: woher würde ich dann meine Existenz haben?– Nun, etwa von mir selbst, oder von meinen Eltern, oder von irgend welchen anderen unvollkommneren Wesen als Gott (denn etwas Vollkommneres oder auch nur ebenso Vollkommnes wie Gott ist gänzlich undenkbar).

Wäre ich nun aber aus mir selbst, so würde ich nicht zweifeln und nichts begehren; es würde mir überhaupt gar nichts fehlen. Ich würde mir alle Vollkommenheiten verliehen haben, die ich mir irgendwie vorstelle, und so wäre ich selbst Gott! – Ich brauche nicht etwa zu denken, das, was mir noch fehlt, sei vielleicht schwieriger zu erreichen, als das, was ich bereits habe. Im Gegenteil! Es wäre offenbar weit schwieriger für mich gewesen, als denkendes Wesen, als Denk substanz, aus dem Nichts ins Dasein zu treten, als die Kenntnis vieler unbekannter Dinge zu erwerben, denn das sind doch nur Accidenzen jener Substanz. Konnte ich mir das Größere verleihen, so hätte ich mir gewiß nichts versagt, was leichter zu erreichen ist; und auch von alledem hätte ich mir nichts versagt, was ich in der Vorstellung Gottes wahrnehme, denn alles dies erscheint mir gar nicht schwerer erreichbar zu sein! Wäre aber doch etwas dabei, was schwieriger ist, so müßte es mir auch schwieriger erscheinen, (falls ich wenigstens all meinen übrigen Besitz von mir selbst hätte); ich würde dann nämlich erkennen, daß meiner Macht dort eine Schranke gesetzt ist.

Der Macht dieser Gründe kann ich mich auch nicht entziehen, indem ich annehme, ich sei immer gewesen, wie ich jetzt bin, um daraus weiter zu folgern: nach einem Urheber meines Daseins brauche ich gar nicht weiter zu forschen. Die ganze Zeit meines Lebens kann ich nämlich in unzählige Teile zerlegen, und jeder dieser Teile ist gänzlich unabhängig von allen anderen. Daraus, daß ich im vorhergehenden Augenblick war, folgt also keineswegs, daß ich auch jetzt sein müßte, es sei denn, daß irgend eine Ursache mich gleichsam für diesen Augenblick von neuem schafft, d.h. mich erhält. Fassen wir nämlich genau das Wesen der Dauer ins Auge, so ist klar, daß ebendieselbe Kraft und Thätigkeit nötig ist, um ein Ding in den einzelnen Momenten seiner Dauer zu erhalten, als zu seiner Neuschöpfung erforderlich wäre, wenn es noch gar nicht existierte. Der Satz, daß »Erhalten« und »Schaffen« sich nur der Art der Auffassung nach unterscheiden, ist also einer von denen, die wir durch unser natürliches Erkenntnisvermögen klar einsehen.

So muß ich also nun mir selbst die Frage vorlegen, ob ich eine Kraft besitze, vermöge der ich bewirken kann, daß ich, der ich in diesem Momente bin, auch im folgenden Momente sein werde. Da ich nämlich lediglich ein denkendes Wesen bin, oder doch nur allein insoweit hier von mir rede, als ich ein solches Wesen bin, so müßte ich ohne Zweifel mir einer solchen Kraft bewußt sein, wenn ich sie besäße. Ich bemerke aber keine solche Kraft, und erkenne eben daraus aufs klarste, daß ich von einem von mir verschiedenen Wesen abhänge.

Doch vielleicht ist dieses Wesen gar nicht Gott; vielleicht sind es meine Eltern, die mich ins Dasein gerufen oder es war eine andere, weniger vollkommene Ursache als Gott.

Es ist aber klar, wie ich schon oben sagte, daß in der Ursache mindestens ebensoviel Realität enthalten sein muß, wie in der Wirkung. Da ich nun ein denkendes Wesen bin, das eine Vorstellung von Gott hat, so muß die Ursache meines Daseins – mag dieselbe nun heißen wie sie will – ebenfalls ein denkendes Wesen sein, das eine Vorstellung von allen Vollkommenheiten hat, die ich Gott zuschreibe. Bezüglich dieser Ursache nun kann man wieder fragen, ob sie aus sich selbst oder durch etwas Anderes existiere. Wäre sie aus sich selbst da, so wäre sie, wie aus dem Gesagten hervorgeht, Gott; denn wenn sie die Kraft hat, aus sich selbst zu existieren, so hat sie ohne Zweifel auch die Kraft, alle die Vollkommenheiten wirklich zu besitzen, die sie sich vorstellt.

Wäre jene Ursache aber durch ein Anderes da, so müßte man wieder bezüglich dieser anderen Ursache die Frage stellen, ob sie aus sich selbst oder durch ein Anderes existiert, bis man schließlich bei der letzten Ursache anlangt, welche Gott sein wird. Denn daß man dies nicht ins Unendliche fortsetzen kann, ist um so klarer, als es sich nicht lediglich um die Ursache handelt, die mich einst ins Leben rief, sondern vorzüglich auch um die, welche mich gegenwärtig erhält.

Man kann auch nicht annehmen, es hatten mehrere Teil-Ursachen bei meiner Entstehung zusammengewirkt, und ich hätte von der einen die Vorstellung dieser, von der anderen die Vorstellung jener Vollkommenheit Gottes erlangt; alle jene Vollkommenheiten seien also wohl irgendwo im Universum zu finden, sie seien aber nicht gleichzeitig in einem einzigen Wesen, in Gott vereinigt. – Im Gegenteil erkenne ich gerade in der Einheit, Einfachheit oder Unteilbarkeit eine Haupteigenschaft Gottes! Sicherlich konnte auch die Vorstellung der Einheit aller Vollkommenheiten Gottes in mir ausschließlich durch die nämliche Ursache hervorgerufen werden, von der ich auch die Vorstellung der übrigen Vollkommenheiten empfing, denn diese Ursache hätte nicht bewirken können, daß ich sie alle vereint und untrennbar erkenne, wenn sie nicht gleichzeitig mir eine Kenntnis jeder einzelnen verschafft hätte.

Was nun schließlich meine Eltern anbetrifft, so mag ja alles wahr sein, was ich von ihnen früher glaubte, aber doch sind sie es nicht, die mich erhalten, noch auch haben sie mich, inwiefern ich ein denkendes Wesen bin, hervorgerufen. Sie haben vielmehr nur gewisse Anlagen dem Stoffe mitgeteilt, dem ich, d.h. mein Geist (den ich jetzt allein für mein Ich ansehe), innezuwohnen meine. Bezüglich der Eltern kann also hier weiter keine Schwierigkeit in Frage kommen. Sonach müssen wir überhaupt den Schluß ziehen, daß daraus allein, daß ich bin und eine Vorstellung eines vollkommensten Wesens, d.h. Gottes, habe, daß daraus mit aller Sicherheit sich beweisen läßt, daß Gott auch wirklich existiere.

Ich habe nun noch zu untersuchen, in welcher Weise jene Vorstellung von Gott erhalten.

Ich habe sie nicht aus den Sinnen geschöpft, auch ist sie mir nicht unerwartet gekommen, wie es bei den Vorstellungen sinnlicher Dinge zu geschehen pflegt, wenn diese Dinge mit meinen äußeren Sinnesorganen zusammentreffen oder mit ihnen zusammenzutreffen scheinen. Ich habe mir auch die Gottesvorstellung nicht selbst gebildet, denn ich kann von ihr nichts wegnehmen und kann nichts zu ihr hinzufügen.

So bleibt also nur übrig, daß sie mir angeboren ist, wie auch die Vorstellung meiner selbst mir angeboren ist.

Und darüber braucht man sich in der That nicht zu wundern, daß Gott mir bei meiner Erschaffung jene Vorstellung gegeben hat, gleichwie ein Künstler seinem Werke sein Zeichen einprägt. Es ist ja gar nicht einmal nötig, daß dies ein besonderes, von dem ganzen Werke verschiedenes Zeichen ist. Darum allein, weil Gott mich geschaffen, ist es vielmehr schon sehr wahrscheinlich, daß ich gleichsam nach seinem Ebenbilde geschaffen bin. Diese Gottähnlichkeit, welche die Gottesvorstellung in sich schließt, nehme ich aber durch das nämliche Vermögen wahr, durch das ich mich selbst wahrnehme. Mit anderen Worten: wenn sich mein geistiger Blick auf mich selbst richtet, so werde ich dessen inne, daß ich unvollkommen und von einem anderen Wesen abhängig bin und ohne Ende nach immer Größerem und nach Besserem strebe. Gleichzeitig aber erkenne ich auch, daß jenes Wesen, von dem ich abhängig bin, das Höhere, das ich erstrebe, nicht nur als ein potentiales, sondern als ein aktuales Unendliches in sich schließt, also Gott ist.

Die ganze Kraft dieses Beweises liegt also darin, daß ich es für unmöglich erkenne, daß ich so existiere, wie ich bin, mit der Vorstellung Gottes in mir, wenn Gott nicht auch wirklich existierte, – derselbe Gott, dessen Vorstellung in mir ist, der alle jene Vollkommenheiten besitzt, die ich nicht zu fassen, sondern gewissermaßen nur mit meinen Gedanken zu berühren vermag; dem gar kein Mangel anhaftet.

Nun habe ich eine Gottesvorstellung. Ihre objektive Realität ist unendlich groß, also größer als meine formale Realität. Sonach kann ich nicht die Ursache dieser Vorstellung sein. Nur ein unendliches Wesen, Gott selbst kann die Ursache sein: Gott existiert

Hieraus geht nun auch zur Genüge hervor, daß dieser Gott nicht täuschen kann, denn das sehen wir ohne weiteres ganz klar ein, daß Lug und Trug aus einem Mangel entspringen.

Doch bevor ich dies eingehender prüfe, und in die anderen Wahrheiten, die sich daraus ergeben, einzudringen suche, will ich noch ein wenig bei der Betrachtung Gottes verweilen. Ich will seine Eigenschaften bei mir erwägen und die Schönheit dieses unermeßlichen Lichtes, soweit mein geblendetes geistiges Auge es vermag, anschauen und voll Bewunderung anbeten. Wie nämlich unserem Glauben nach in der bloßen Betrachtung der göttlichen Majestät die höchste Glückseligkeit des jenseitigen Lebens besteht, so zeigt es sich, daß wir auch jetzt schon in dieser selben, wenn auch noch viel unvollkommneren Betrachtung das höchste Glück genießen können, dessen wir in diesem Leben fähig sind!


Zu Teil 4: Vierte und fünfte Betrachtung »


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