Ovid: Über Ianus und Januar
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Ovid
Über Ianus und Januar
(Die Fasten, I, 89 - 144)
Was soll ich aber sagen, welcher Gott du bist,
doppelhäuptiger Ianus? Die Griechen kennen nämlich keine Gottheit, die mit dir
vergleichbar wäre. Gib zugleich den Grund dafür, warum du als der einzige der
Himmlischen siehst, was in deinem Rücken und was vor dir ist! Ich überdachte
dies und hatte die Tafel zur Hand genommen: (Plötzlich) schien mein Haus mir
strahlender, als es eben noch war: Da bot der verehrungswürdige Ianus mit einem
Male, wunderbar in seinem Doppelbild, die beiden Stirnen meinen Blicken dar.
Ich fürchtete mich sehr und fühlte, wie sich meine Haare vor Angst sträubten,
und ein Schauder des Entsetzens griff mir plötzlich kalt ans Herz. Den Stab in
seiner Rechten, in der Linken seinen Schlüssel, sprach er mit dem Gesicht, das er
(mir) zugewendet hatte, diese Worte zu mir: „Fürchte dich nicht und vernimm,
der du nach mühevollem Studium von den Kalendertagen singen willst, was du (zu
hören) wünschst, und präge meine Worte dem Gedächtnis ein:
„Die Alten (ich bin nämlich eine alte Gottheit) nannten mich
das Chaos: Schau an, aus welch früher
Zeit das stammt, was ich berichten will: Die klare Luft hier und die übrigen
drei Körper – Feuer, Wasser, Erde – waren eine einzige (ungeteilte) Masse.
Nachdem sich diese einmal durch die Zwietracht ihrer Teile getrennt hatte und
aus der aufgelösten Masse jedes Element seinen eigenen Platz suchte, richtete
die Flamme sich nach oben, der Raum darunter nahm die Luft auf, in der Mitte
lagerten sich das Land und das Meer. Da nahm ich, bis dahin eine Kugel und nur
eine Masse ohne Form, Gestalt und Glieder an, die einer Gottheit würdig waren. Heute
noch scheint (daher), mir ein kleines Zeichen meiner einst formlosen Gestalt,
kein Unterschied in dem, was vorne und hinten an mir ist. – Höre (auch) den anderen
Grund für meine Gestalt, nach der du fragst, damit du sie erkennst und
gleichzeitig erfährst, worum ich mich zu sorgen habe: Was du ringsum wahrnimmst,
Himmel, Wasser, Meer, Wolken und Länder, alles wird von meiner Hand
verschlossen und geöffnet. Die Bewachung dieses ungemessenen Weltalls liegt
allein bei mir, und nur in meinen Händen ruht das Recht, die Angeln zu bewegen.
Wenn es mir beliebt, den Frieden aus dem stillen Hause auszusenden, geht er
frei durch alle Straßen; Blut und Tod erfüllen (aber) das gesamte Erdenrund,
wenn meine festen Riegel den Krieg nicht gefangen halten. Zusammen mit den
milden Horen hüte ich die Himmelstür, selbst Iuppiter hat Ein- und Ausgang nur,
wenn ich meines Amtes walte. Daher kommt mein Name Ianus. Wenn mein Priester mir den Gerstenkuchen und den Spelt, mit
Salz gemischt, zum Opfer bringt, dann wirst du über meine Namen lachen, denn
bald ruft man mich, einunddenselben (Gott), beim Opfer als Patulcius und bald als Clusius.
Mit (diesem) Wechselnamen wollte nämlich einst die rohe Vorzeit die verschiedenen
Kräfte, (die mir eigen sind), erfassen: Dies von meinem Wirken. – Höre nun den Grund für meine (eigenartige) Gestalt, zu einem Teil
durchschaust auch du sie ja ohnehin schon: Jede Tür hat zwei Gesichter, eins hierhin
und eins dorthin, das eine davon schaut zum Volk (nach draußen), (einwärts)
aber in das Haus das andere. Und wie bei euch der Pförtner vorne an der
Schwelle eures Hauses seinen Platz hat und den Ein- und Ausgang überwacht, so
sehe ich, als Pförtner an der Himmelshalle, Ost und West zugleich. Du siehst,
daß das Gesicht der Hekate sich (gleichzeitig) nach drei (verschiedenen) Seiten
richtet, um die Scheidewege zu beobachten, die sich in drei Richtungen teilen:
So kann ich, um keine Zeit beim Wenden meines Kopfes zu verlieren und ohne mich
zu rühren, nach zwei Seiten schauen.“