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Olav H. Hauge: 22. März 1960

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Olav H. Hauge


22. März 1960

Heute früh erwachte ich und war sogleich hellwach. Alles hatte sich gleichsam geöffnet. Die Vögel und alle Lebewesen, ja, auch die Toten, sie wußten alle voneinander und lauschten und antworteten, selbst die Fliegen, und die Möwen kamen und setzten sich mir auf die Hand. Ja, das ist nichts Neues, ich habe es oft erlebt, nicht nur im Traum. Doch dann steht man auf und beginnt seinen Tag, und die Wirklichkeit legt sich wieder zur Ruhe oder sinkt zurück, doch so zementiert und grau wie vorher ist sie nicht.
(…)
Was Hölderlins Dichtung auszeichnet, sind die großen, überragenden Bilder, Bildkomplexe könnte man sagen. Dadurch löst sich die Vorstellung von Zeit und Ort. Besonders ist auch die Wortstellung; wohl keiner hat die Inversion so wirkungsvoll gebraucht wie er. Doch nicht genug, daß er die Worte verstellt und ergreifende Klänge und bildschaffende Elemente hervorbringt, er bewegt ebenso ganze Sätze und nutzt sie in gleicher Weise. Er weist auch selber darauf hin, er wußte wohl, was er tat.


Olav H. Hauge: Mein Leben war Traum. Aus den Tagebüchern 1904 - 1994. Übersetzt von
Klaus Anders. Berlin (Edition Rugerup) 2015. 256 Seiten. 24,90 Euro.

Rezension Jan Kuhlbrodt »


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