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Olalla Castro: Zwei Gedichte

Werkstatt/Reihen > Reihen > Barrio ibérico
Foto: Maria de la Cruz
Olalla Castro

Zwei Gedichte
aus dem Spanischen von Astrid Nischkauer


UN IDIOMA COMÚN

Vamos
trasladando la risa de mano en mano,
pasándonos de unas a otras
las palabras que fuimos rescatando
y el espejo pequeño
que ocultamos debajo del vestido:
ese
en el que por primera vez
pudimos vernos
(cuando al fin entendimos
que la imagen enjuta de nosotras
en la que habían tratado de encerrarnos
había sido adrede deformada).

Vamos
colocando en el regazo de las otras
lo que brilla debajo de los dedos,
el amor que amontonamos en las yemas.
Al mirarnos
nos bastan segundos para saber
que hay cierta vecindad en nuestros ojos;
un idioma común,
una lengua de esquirlas.
Esto que es a la vez
maleza, labio, roca.

EINE GEMEINSAME SPRACHE

Wir übersetzen
das Lächeln von Hand zu Hand,
reichen die Worte, die wir gerettet haben,
von einer zur nächsten
und den kleinen Spiegel,
den wir unter dem Kleid verbergen:
jenen,
in welchem wir uns erstmals
gesehen haben
(als wir endlich verstanden,
dass das magere Abbild von uns,
in welches man versuchte uns zu zwängen,
absichtlich deformiert worden war).

Wir legen
den anderen Frauen in den Schoß,
was unter den Fingern glänzt,
die Liebe, die wir in den Fingerkuppen ansammeln.
Wenn wir einander ansehen
genügen Sekunden um zu wissen,
dass es in unseren Augen eine gewisse Nähe gibt;
eine gemeinsame Sprache,
eine Splittersprache.
Zugleich
Gestrüpp, Lippe, Fels.

UNA MUJER QUE SE MOJA EN LA ORILLA

Si pudieras decir que hallaste el oro,
siquiera una pepita.
Si toda la historia
que ahora puedes contar no fuera esta:
la de una mujer que se moja en la orilla;
la de una mujer que, remangada,
amasa el barro
                      en vano.

EINE FRAU, DIE AM UFER NASS WIRD

Wenn du nur sagen könntest, dass du Gold gefunden hast,
wenigstens ein Körnchen.
Wenn die Geschichte,
die du jetzt erzählen könntest, nicht diese wäre:
die einer Frau, die am Ufer nass wird;
die einer Frau, die, mit aufgekrempelten Ärmeln,
Schlamm anhäuft,
                         umsonst.
 

In Olalla Castro – Wir Frauen, im Hinterhof eines sehr großen Hauses | Nosotras, en el patio de atrás de una casa muy grande. Aus dem Spanischen von Astrid Nischkauer. Heidelberg (hochroth Verlag Heidelberg. Lyrik aus Andalusien) 2020. Collage: Pamela Rahm Sánchez, @papelesrenacidos. Satz und Layout: Fagott Ffm. 38 Seiten, 19 x 11 cm, Broschur. 8,00 Euro.
ISBN: 978-3-903182-72-1
Olalla Castro, geb. 1979 in Granada, hat in Literaturwissenschaft und Komparatistik promoviert. Von ihr sind folgende Lyrikbände erschienen: »La vida en los ramajes« (Devenir, 2013), »Los sonidos del barro« (Aguaclara, 2016), »Bajo la luz, el cepo« (Hiperión, 2018) und »Inventar el hueso« (Pre-Textos, 2019). Ihre dichterische Arbeit wurde ausgezeichnet mit dem Premio Nacional de Poesía Miguel Hernández (2013), dem XXII Premio Internacional de Poesía »Antonio Machado en Baeza« (2018) und dem XXXIII Premio Unicaja de Poesía (2018). Sieben Jahre war sie Kolumnistin der Tageszeitung »La Opinión« in Granada sowie Sängerin und Texterin verschiedener musikalischer Künstler-gruppen wie «Rebelmadiaq«, »Sister Castro« oder »Nour Opinión«. Zurzeit ist sie Kolumnistin der Zeitung »El Salto« und veranstaltet Workshops für Literatur.
Astrid Nischkauer, geb. 1989 in Wien, studierte Germanistik und Komparatistik. Rezensentin und Redaktionsmitglied von fixpoetry.com, Übersetzerin und Autorin. Lyrikbände: »frisch gepresste Parasiten«, »Poesie passieren & passieren lassen« und »Satyr mit Thunfisch« (parasitenpresse, 2015, 2016 und 2018). Mehrere Übersetzungsbände, zuletzt Andrea Fontán: »Blütenblätter zwischen den Fingern / pétalos entre los dedos« (hochroth Heidelberg, 2020).
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