Direkt zum Seiteninhalt

Mayra Santos Febres: santurce, puerto rico

Werkstatt/Reihen > Reihen > ´Barrio latino
Foto: privat

Mayra Santos Febres:

santurce, puerto rico

Aus dem puerto-ricanischen Spanisch von Timo Berger


Santurce, Puerto Rico
 
Santurce ist ein riesiges Eierbüro, Sí, Señor / Santurce ist / ein riesiges Büro
 
um drei Uhr in der Früh / gehen Mannfrauen mit ihren kostbaren Körben / auf die Straße / verkaufen ihre abgedeckten Waren
 
Mannfrauen / auf ihren Absätzen / auf ihren Eiern reitend / riskieren ihr Leben
 
sie sind tatsächlich tapfer / und ganz Santurce ist ihr Office //
 
um fünf Uhr nachmittags / staksen Hühner / mit Taschen / Strumpfhosen und Krawatten / aus ihren Ställen und suchen / irgendein Gesöff / eine Gemengelage, die ihr Gedächtnis auffrischt
 
staksen heraus und stolpern über andere Viecher / ohne Namen, ohne Seele, mit / Karren / und scharren zwischen dem Müll /
 
Samstagmittag /
treffen erlauchte Händlerinnen der Eierinseln / an den Marktbuden auf ihre Anhänger / treffen sich und palavern mit anderen Einwanderern / die ihnen Häppchen anbieten / und sie um die Frisuren beneiden / und die mitreisenden Kinder …
 
um halb acht am Morgen / weckt uns der mit Strom betriebene Lautsprecher alle gleichzeitig auf / mich / die ich die Tauben erschrecke / und die Eier des Zuckervogels auf der ganzen Terrasse einsammle / des immensen Büros, das meine Wohnung ist
 
Saturce ist ein riesiges Büro / mit Blick aufs Meer.

In Mayra Santos Febres: Gedichte. Puerto-ricanisches Spanisch / deutsch. Übersetzt von Timo Berger. hochroth Berlin 2011. 30 Seiten, 8 Euro.


santurce, puerto rico

santurce es una inmensa oficina de huevos, sí señor / santurce es / una inmensa oficina

a las tres de la mañana / mujeres-hombre con sus canastas muy preciadas / salen a la calle / venden su escondida mercancía

mujeres-hombre / encima de sus tacos / encima de sus huevos cabalgando / arriesgan vida

son verdaderamente valerosas / saturce es su inmensa oficina //

a las cinco de la tarde / con saquitos / pantihose y sus corbatas / salen pollos de cubículos buscando / algún brebaje / alguna densidad que les recuerde

salen y se tropiezan con otras criaturas / las anónimas sin alma y con carritos / que escarban
entre basura /

los sábados al mediodía /
augustas traficantas de las ínsulas del huevo / se encuentran con sus huestes en las tiendas / se encuentran y tropiezan con otras inmigrantas / que les sirven bocadillos / les envídian los
peinados / y los hijos que viajan con ellas ...

a las siete y media de la mañana / el altoparlante de energía eléctrica nos levanta a todos por
igual / a mi / espantando a las palomas / cazando huevos de reinita por toda la azotea / de la inmensa oficina que es mi casa

santurce es una inmensa oficina / que da al mar.


Mayra Santos-Febres (*1966, Carolina / Puerto Rico), Autorin, Kritikerin und Literatur-wissenschaftlerin. Gastprofessuren unter anderem an der Cornell University und in Harvard. Seit 2010 lehrt sie Afrikanische und Karibische Literatur sowie Feministische Literaturtheorie an der Universidad de Puerto Rico. Ihr Werk wurde mehrfach ausgezeichnet und ins Englische, Französische und Deutsche übersetzt. 2011 ist bei hochroth Berlin eine deutschsprachige Auswahl ihrer Lyrik erschienen:
Bekannt ist vor allem ihr Roman Sirena Selena vestida de pena (2000), die Geschichte einer jungen homosexuellen Drag Queen.  Zuletzt publizierte sie den Roman La amante de Gardel (2015). 2010 nahm Mayra Santos-Febres am mobilen lateinamerikanischen Poesiefestival latinale teil und 2014 am Internationalen Literaturfestival Berlin.

Übersicht Barrio latino »
Zurück zum Seiteninhalt