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Ludwig Steinherr: Chinesische Mauer

Gedichte > Münchner Anthologie
Ludwig Steinherr

Chinesische Mauer

Solange der Zweifel nicht knistert
im nichtexistierenden Herzen der Teeschale des Kaisers
genügt als Mauer ein Wort –

Sobald der Zweifel knistert
im nichtexistierenden Herzen der Teeschale des Kaisers
sind alle Mauern schon überrannt –

sieht der Kaiser in jedem Spiegel
die Fratze des Barbaren


Ludwig Steinherr, Engel in freier Wildbahn (Allitera Verlag, München 2019), S. 110.
Pia-Elisabeth Leuschner

Von der Zweifältigkeit.
Kleiner Versuch über Mechanismen des Imaginierens
beim Gedichtelesen

„There are no negatives in poetry.“
Stephen Spender¹

I. Die Versuchsanordnung

perspicuitas nannte es die antike Rhetorik: eine Klarheit und Transparenz des Sprechens auf Semantisches. Sie scheint auch das zitierte Gedicht musterhaft zu wahren: normgerechte Syntax, keine sprachexperimentellen Verständnishürden ... Dass die meisten Gedichte Ludwig Steinherrs diesen Bauprinzipien folgen, hat dazu geführt, dass sein Werk (von ca. 20 Bänden) in den durchaus zahlreichen Besprechungen vor allem semantisch gewürdigt wird: für die visuelle Plastizität seiner Bildfindung, den philosophischen Zuschliff der Gedankenführung und die Bandbreite seiner Themen (vom Alltäglichsten zu Metaphysik, von Beziehungsintimität über Phantastik zu Humor, von Wissenschaft über Geschichte zu Kunst- und Literaturreflexion und Unterhaltungskultur).

Übersehen wird dabei durchweg zweierlei: Erstens sind all diese Qualitäten von einem rhythmisch-lautlichen Raffinement grundiert, das ihnen nicht nur Relief, Eindrücklichkeit und Memorabilität verleiht, sondern substantiell zur Semantik beiträgt. Zweitens arbeiten diese Gedichte mit einem Ausmaß an Wissen um Funktionsweisen von Sprache und Imagination, für das die vermeintliche Schlichtheit der Sprachgebung vor allem als eine Art blendender Spiegeloberfläche fungiert. Denn, um die Metapher weiterzudenken: Diese Spiegel sind lebendig und eigentätig. Aus dem, was der Leser hineinwirft, konstruieren sie, was ihm als Erhellung zurückblitzt.

Setzt man nun aber eine entsprechende Brille geduldiger Detailanalyse auf, lässt sich an diesen Texten durchaus beobachten, mit welchen (beim Lesen durchweg unvermerkt ablaufenden) Mechanismen sie Rezeption und Imagination steuern – und sie erhellen damit zugleich Grundsätzliches zu psychologischen und sprachlichen Einflussfaktoren auf die Realitäts-wahrnehmung. Dies sei hier exemplarisch an dem obigen Gedicht nachgewiesen.


II. „fehlen: form von abwesenheit, die vergangene anwesenheit bezeichnet“ (Tristan Marquardt)²

Wer macht sich bei der Erstlektüre schon bewusst, wie wenig es in jenen acht Versen (zum Titel wird später zu kommen sein) eigentlich zu sehen oder als Sichtbares vorzustellen gibt? Nämlich nur eine Teeschale, einen Kaiser und sein Spiegelbild. Weit (Ge-)Wichtigeres ist dagegen nicht da: eine Mauer (die gibt es lediglich metaphorisch oder in einem generalisierenden Plural ihrer Nutzlosigkeit), ein Herz und ein Barbar.

Doch vor allem (Gesehenen) gibt es – im Inneren des ersten Verses, als zentrales seiner fünf Worte –ein mentales Phänomen, den Zweifel, der etymologisch von „Zwei-falt“ stammt.

Um eine solche zu konkretisieren, bedient sich das Gedicht der kognitionspsychologischen Tatsache, dass unser Gehirn sich mit der Verarbeitung von Negationen schwertut. Denn sie erfordern, dass etwas sowohl gedacht oder vorgestellt als auch ‚durchgestrichen‘ wird. Das Negierte ist solcherart jeweils zugleich da und getilgt, d.h. innerlich zwiefältig. (In der Lebenswelt folgt daraus u.a. die Empfehlung, Handlungsanleitungen an Kinder stets positiv zu formulieren: „Gehe NUR bei Grün über die Straße!“ – anstatt: „Geh nicht bei Rot …!“³

Eine spezifische (Nicht-)Funktionsweise der Negation zeigt schon das Partizip aus den Versen 2 und 5: „im nichtexistierenden Herzen der Teeschale des Kaisers“. Es bewirkt nämlich keineswegs, dass wir kein Herz denken. Wir denken es durchaus – entweder als Metapher für das Innere der Teeschale (d.h. schlankweg ignorierend, dass die Bedeutung des Partizips genau das ausschließt). Oder aber – wofern wir die Negation doch wahrnehmen – wir versuchen, das Herz in die Verssemantik zu integrieren, indem wir es in einer Art metonymischer ‚Über-sprungshandlung‘ dem Kaiser zuschreiben und dahingehend deuten, dass die Sache ihm offenbar eine ‚Herzensangelegenheit‘ sei. Wie weit wir allein mit dieser Option dem Text schon imaginierend ‚ins Innere‘ des Kaisers gefolgt sind, kann zumindest zu diesem Zeitpunkt noch niemand als Alarmzeichen erkennen.


III. Was verloren geht – und was „schon“ da ist

Um nun die rhythmisch-lautlichen Finessen des Gedichts nachvollziehbar zu machen, vorab eine metrische Schematisierung:

1. Vers                                   Solange der Zweifel nicht knistert
                                              –   X  –   –      X   –     –       X   –

2. Vers                                   im nichtexistierenden Herzen der Teeschale des Kaisers
                                              –     X    –  –   X  –  –    X   –    –     X    –  –   –     X   –

3. Vers                                   genügt als Mauer ein Wort  
                                              –    X     –     X  –   –     X

4. Vers                                   Sobald der Zweifel knistert
                                              –    X     –     X    –     X   –

5. Vers                                   im nichtexistierenden Herzen der Teeschale des Kaisers
                                              –    X    –  –   X  –  –     X   –    –     X    –  –    –    X   –

6. Vers                                   sind alle Mauern schon überrannt
                                              –     X  –    X   –       X   –  –   X

7. Vers                                   sieht der Kaiser in jedem Spiegel
                                              –       –     X  –   –  X   –      X    –

8. Vers                                    die Fratze des Barbaren
                                               –     X   –   X    –   X   –

Beschreiben lässt sich diese Struktur (um mich hier möglichst wenig ins Dickicht der Metriktheorie zu begeben) am sinnvollsten als Verbindung von Jamben und Anapästen, wobei genau zwei Male eine zusätzliche weggesprochene Senkung eingeschmuggelt wird. Wollte man für den Rhythmus spontan eine emotionale Stimmung angeben, dürfte man an Adjektive wie ‚leicht‘ oder ‚tänzerisch‘ denken.

Bereits die Versanordnung ist markant zwiefältig: 3 / 3 / 2 Verse. Im Zentrum der beiden strukturähnlichen Gruppen 1-3 und 4-6 wird ein Vers völlig identisch wiederholt (Vers 2 als Vers 5). Dadurch wird u.a. markiert, dass sich an der faktischen Situation zu keinem Zeitpunkt etwas ändert.

Rhythmisch freilich beginnt eine subtile Erosion mit Vers 3: „genügt als Mauer ein Wòrt“: Zeitgleich mit der Erwähnung der „Mauer“ tritt hier erstmals ein Jambus im Versinneren auf. Außerdem endet die Zeile erstmals betont – und akzentuiert damit jene Instanz, die den Zweifel ausgeschlossen hält, nämlich das „Wort“, konkret das Wort „nicht“ aus Vers 1.

Was nun passiert, wenn dieses Wort fehlt, führt Vers 4 vor Augen. Denn „Sobald der Zweifel knistert“ lässt gerade in seiner Strukturähnlichkeit zu Vers 1 vor allem die Unterschiede deutlich werden:

a) Das eine Dauer bezeichnende und in den tänzelnden Rhythmus hineinführende „Solange“ weicht hier dem rein jambischen „Sobald“, das einen Zeitpunkt markiert.

b) Zusammen mit dem „nicht“ sind auch die doppelten Senkungen des Anapäst verschwunden. Gerade ihr jähes Fehlen ruft subrational das Erkennen hervor: ‚Sie – und ihre in Sicherheit wiegende Leichtigkeit – können jederzeit auch nicht sein‘. Und da diese feinrhythmische ‚Schockerfahrung‘ irreversibel ist, hat der Anapäst ab hier seinen Beiklang behaglicher Verlässlichkeit verloren.

Auch die Verse 3 und 6 korrelieren rhythmisch und vor allem lautlich. Graphisch verdeutlicht:

„genügt als Mauer          ein Wort“
   –   X   –     X   –            –     X

„sind alle Mauern            schon überrannt“.
   –    X –    X   –                  X    –  –   X      

Es sind die einzigen beiden Verse des Gedichts, die betont enden. In ihrem Zentrum stehen jeweils Mauer oder Mauern. Was der Zweifel bewirkt, zeigt eine einzige Silbe: In Vers 3 kommt das ‚o‘ nach sechs Silben, in Vers 6 dagegen „schon“ nach fünf: Damit wird das ‚Überrennen‘ – noch ehe das Hauptverb es benennt – auf triftigste Weise performativ sinnfällig gemacht.

(Es gibt übrigens genau vier ‚o‘ in diesem Gedicht: in „solange“, „sobald“, „Wort“ und „schon“. Nun dürfte kaum jemand fähig sein, diese Filiation bei der ersten Rezeption bewusst auf- oder wahrzunehmen. Doch wenn unser Ohr sie vermerkt – wie man ja auch Glockenschläge in der unmittelbaren Erinnerung zählen kann –, dann markieren sie wiederum subrational eine Struktur, die das in den Versen 1 und 3, 4 und 6 jeweils semantisch Wichtige zusammenordnet.)

Nach dem Schockmoment des „überrannt“ – und der Sprechpause, die das betonte Versende nahelegt – lässt das Gedicht das Tänzeln des Anapäst vollends zum Hohn werden, indem es ihn erstmals am Versbeginn einsetzt: “sieht der Kaiser …“.

Bedarf es hier noch der Erwähnung, dass der Schlussvers wiederum rhythmisch mit Vers 4 korrespondiert, in dem der Zweifel erstmals unverneint auftrat? Und dass dies die beiden einzigen rein jambischen des Gedichts sind? Erneut graphisch verdeutlicht:

„Sobald der Zweifel knistert“     , ist
  –   X     –      X    –     X   –

„die Fratze des Barbaren“            da – und nicht mehr wegzubringen.
  –     X   –   X    –   X  –      


IV. Drei Nachtragsüberlegungen und -assoziationen

1. Der Barbar hat eine dunkle Gesichtsfarbe, einen fadendünn herabhängenden Bart und verfilztes Rasta-Gestrüpp um den Kopf. So jedenfalls beschrieben ihn etliche Leute, die ich bat, das Gedichtende zu visualisieren. Nur: Er ist nicht da. Die äußere Situation hat sich nicht verändert.

Dass hier etliche Leser nicht den Kaiser visualisieren, wie er in den Spiegel schaut, sondern sich die textinterne Sehweise der Figur und tendenziell deren Schockerlebnis zu eigen machen, hat – denke ich – zwei Gründe: die rhythmische Anbahnung in Vers 4 und den Kunstgriff, dass im Schlussvers eigentlich weniger etwas visualisiert als v.a. gewertet wird. Denn „die Fratze des Barbaren“ bedeutet – da der Kaiser und wir ja immer auf der Seite der Kultur sind – eine doppelte Negativwertung. Das konkrete Aussehen der Fratze dagegen stellt der Text unserer Imagination anheim. Wesentlich anderes geschähe, wenn der Vers eine deskriptive Konkretisierung enthielte, etwa „das gebräunte Gesicht eines mongolischen Heerführers“. Eine solche visuelle Präzisierung würde uns auf eine schwer durchschaubare Weise eine weit größere, v.a. emotionale Distanz ermöglichen. Wir könnten dadurch das Bild wesentlich leichter und rascher als eine bloße Projektion des Kaisers relativieren, der – wie alle Paranoiden – das Gefürchtete überall sieht.

Ob oder inwieweit sich diese Beobachtung verallgemeinern lässt? Ob wohl Wertungen generell leichter und müheloser Identifikation herbeiführen als Deskriptionen? Es spricht jedenfalls einiges dafür, dass sich damit gewisse Attraktivitäten des Rechtspopulismus besser begreifen ließen.

2. Dass Zweifel ‚knistern‘ können, ist natürlich ebenfalls eine Metapher. Knistern im eigentlichen Sinne kann dagegen fragiles chinesisches Porzellan, v.a. wenn sich darin ein Sprung vorbereitet. Von einem solchen handelt ein anderes Gedicht Steinherrs „Nachtgeschichte für die Teetasse“, das den gleichnamigen Band eröffnet. Beim Abtrocknen der Tasse sieht das Ich: „durch den Tassenboden schimmert / ein angebrütetes Gesicht – eine Chinesin – // Was ist das in ihrem Buddha-Lächeln – / ein Äderchen? Ein haarfeiner Sprung in der Schale? // Der übrigens fortläuft / über den Rand der Tasse // die Wand hoch und / quer über die Zimmerdecke // hinaus in die Dunkelheit / wer weiß wohin –“.

Das Spannende daran, diese Verse mit „Chinesische Mauer“ zusammen-zu-imaginieren, liegt weniger in einer simplen Addition ihrer Bedeutungen und Bildlichkeiten: In vielen unserer Worte, die wir als Mauern gegen Ängste aufbieten, ist schon latent jener Haarriss eines Zweifels präsent, der als Sprung – im Bild eines anderen Menschen oder einer gesamten Weltsicht – hinausläuft auf schieres Dunkel.

Faszinierenderes aber erschließt sich jenseits davon, als Dialektik. Denn – was Steinherr natürlich weiß –: Die Chinesische Mauer ist das einzige aus dem Weltall sichtbare menschliche Bauwerk. Von dort wirkt sie fein – wie ein Sprung.

3. Und natürlich ist auch ein abwesender Barbar, sobald er gesichtet wird, eine Katastrophe.

决不, lächelt der Kaiser und reicht uns, sanft kopfschüttelnd, die nichtexistierende Teeschale: Jenes flüchtige Ver-Sehen habe ihm vielmehr sehr Wertvolles an (Selbst-)Erkenntnis geschenkt. Im Nachhall der Gedichtpointe habe er begriffen, warum er – statt seiner selbst im Spiegel – den Barbaren gesehen habe: eine Projektion seiner Ängste. Er werde künftig psychohygienisch achtsamer mit sich umgehen. Und nicht zuletzt deshalb seien doch Steinherrs Gedichte auf solche Pointen hin gebaut, um – durch das Nachwirken ihres letzten Verses – einen Zeitraum für derartige Erkenntnisprozesse zu schaffen. Was wir denn in jener Zeit gedacht hätten?

Da kommt er nun bei dem Leser grad an den Richtigen. Der ist nämlich mitten drin im hermeneutischen Furor und legt nun los: „Ich habe mir das Gedicht a) in der Rückschau semantisch-narrativ geschlüssigt: als Aufbau einer Versuchsanordnung für Euer kaiserlichen Hoheit Selbsterkenntnis. Ich habe darin b) – abstrakter – einen allgemeinen Mechanismus von Erkenntnisgewinnung dargestellt erkannt: nämlich die retrospektive Rationalisierung von Sinneseindrücken, die ihrerseits von psychologischen Faktoren beeinflusst sind. Außerdem habe ich c) erwogen, den Text ethisch als einen Spiegel zu nutzen und anhand seiner zu erkunden, welche inneren Barbaren ich wohl zweifelnd päppele. Und vor allem habe ich d) die markante metapoetische Dimension des Gedichts begriffen. Denn ich hatte ja an mir selbst (da ich eben am Schluss den Barbaren sah und nicht Euer Kaiserliche Hoheit beim In-den-Spiegel-Schauen) beobachten können, wie Gewinnung von Erkenntnis und Selbsterkenntnis in der Literatur funktioniert: nämlich indem Texte uns zunächst Illusionsbildung und Identifikation ansinnen und wir anschließend darauf reflektieren, wie es dazu kommen konnte: Good old Aristotle!“

Die feine Höflichkeit der Teeschale wird hier zweifellos nicht anfügen: „Dabei – ein so einfaches Gedicht … “


¹ Den Hinweis auf das Zitat verdanke ich dem eminenten Leser Richard Dove. Spenders Satz meint nicht, dass es in der Lyrik keine Negationen gebe, sondern dass das Negierte immer zugleich vorhanden ist.
² Vgl. insgesamt „auszüge eines fehlkatalogs“ in Tristan Marquardt: scrollen in tiefsee (kookbooks 2018), S. 46.
³ Vor kurzem veröffentlichte Ulrich Schäfer-Newiger auf diesem Portal eine spannende Reflexion, in der er die lesepsychologische Wirkung der „doppelten Verneinung“ – anhand eines Gedichts von Dragutin Tadijanović – reflektiert. Er weist dabei auf die Dichte von Denkfiguren der Negation v.a. in der literarischen Moderne hin – und bezieht sie auf die Sprach-Krisenerfahrung jener Epoche: das Aufklaffen eines Abgrunds zwischen Worten und Welt, für das exemplarisch Hofmannsthals „Lord Chandos“-Brief steht. Nun hat Schäfer-Newiger fraglos damit recht, dass Häufigkeit und Prominenz der Negationen durchaus einen Schlüssel zu Kernanliegen der literarischen Moderne bilden. Nur ist die Nutzung dieser Denkfigur selbst wesentlich älter – und diente literarhistorisch v.a. zur Absetzung vom bestehenden Kanon. Einschlägig sind hier etwa das „Lied aus reinem Nichts“ von Wilhelm von Aquitanien (hier in der deutschen Übersetzung von Ralph Dutli) oder Shakespeares Sonett 130 „My mistress‘ eyes are nothing like the sun“ (hier deutsch von Friedrich Gottlob Regis), in dem ein systematischer Katalog von Verneinungen aller Topoi des petrarkistichen Frauenlobs dazu dient, im Leserbewusstsein eine Attraktivität der Herzensdame entstehen zu lassen, die größer ist als die aller Frauen, denen die Topoi unverneint zukommen …Nicht zuletzt bietet Robert Gernhardt – von dem ja durchaus nicht naheliegt, ihn als Exponenten der lyrischen Moderne in einem emphatisch-literaturhistorischen Sinne zu denken – eine der klügsten Inszenierungen dieser transhistorische Wirken der Verneinung: „Trost im Gedicht“.
Mit einer solchen Kadenz würde vermutlich eines von Steinherrs Gedichten enden, das die unauflösliche dialektische Verstrebtheit von Mauern und Sprüngen zum Inhalt hätte. Denn allein, (an) eine Mauer zu denken, ist schon Symptom eines ‚Sprungs‘ – von Zweifeln – in der eigenen Weltsicht, der jedwedes solche Bollwerk von innen zersetzt. Deshalb ist jenseits des Titels auch keine Mauer mehr da. Die Zwiefältigkeit verläuft letztlich im Inneren des Wortes selbst, das Grenzen setzt und in diesem Akt schon über sie hinausdenkt. Dank dieser Amphibie ist es selbst sowohl Quantensprung des Geistigen als auch zeitlos unfassbar zwischen seinen inneren Binomien herumspringender Quant – nicht zuletzt in der christlichen Theologie.
„juébù“ („Keinesfalls! / Bestimmt nicht!“) wurde mir freundlicherweise gedolmetscht von Daniel Bayerstorfer.
Leicht modifiziertes Zitat aus: Ludwig Thoma, Der Münchner im Himmel.
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