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Latinale 2017 - Andrés Anwandter: Zwei Gedichte

Werkstatt/Reihen > Reihen > ´Barrio latino

Foto: Bernardita Muñoz


Andrés Anwandter

Aus dem chilenischen Spanisch von Romy Brühwiler


el océano de fondo en realidad
es el tráfico de toda una ciudad



en vez de noticias
bombazos

que celebran
a cada lado

fotos         
que no puedo

reproducir con palabras
ni quisiera

de niños destrozados
algunos de ellos

de la misma edad
que mis hijos

recién salidos
de vacaciones

los escucho conversar
en sus camas

mientras gritan todavía
las gaviotas

sobre el techo
picotean        las espanto

a punta de palmazos
desde una ventana

cielos claros a las diez
de la noche     distantes

sirenas que agradezco
no canten para mí


eigentlich ist der ozean da draußen
der verkehr einer ganzen stadt



statt nachrichten
knüller

sie lobhudeln
überall

fotos   
die ich nicht einmal    

mit worten
wiedergeben kann

von verwahrlosten kindern
darunter einige

im selben alter
wie meine söhne

soeben zurück
aus den ferien

höre ich sie plaudern
in ihren betten

während die möwen
weiterhin kreischen

auf dem dach
herumpickend                  ich verjage sie

mit lautem klatschen
aus einem fenster

klarer himmel um zehn uhr
abends             entfernte

sirenen die zum glück
nicht meinetwegen heulen

sección comentarios


el sarcasmo de los momios
es lo que temo

me enfurezca     de la muerte
de chávez en los medios

cada cual es libre
de adorar     en teoría

su tiranía preferida
a la distancia

y amoblar con imágenes
deseables del mundo

el interior de los ojos
para no ver

las palabras     herir
de verdad       a los otros

cuando se arrojan
sin consecuencia

empatar     distraer
silenciar

mecanismos de defensa
del yo

con los cuales     por ahora
no quisiera lidiar

el sarcasmo de los momios
mientras busco

una pared donde colgar
para que luzca

el retrato de bolívar a caballo
al cruzar la cordillera


rubrik leserbriefe


es ist der sarkasmus der abgezehrten
befürchte ich

der mich wütend macht         über den tod  
von chávez in den medien

jedem steht
theoretisch       die vergötterung

seiner lieblingstyrannei
aus sicherer distanz zu

und die gestaltung der welt
mit begehrenswerten bildern

auf der innenseite der augen
um nichts ansehen zu müssen    

die worte     andere
so richtig     verletzen

wenn man sie entgegenschleudert
folgenlos

auflesen      zerstreuen
zum schweigen bringen

abwehrmechanismen
des ich

mit denen ich mich      für den moment
nicht herumärgern wollte

der sarkasmus der abgezehrten
derweil ich auf der suche bin

nach einer wand zum aufhängen
möge erstrahlen

das porträt des berittenen bolivars
beim überqueren der kordilleren


Andrés Anwandter wurde  1974 in Valdivia, Chile geboren und lebt in England. Er ist studierter Psychologe, und Dichter. In seiner Dichtung geht er vom Lärm aus und versucht von dort zu einer verfeinerten inneren Hörweise zu gelangen. Seine Texte orientieren sich an der gesprochenen Sprache, am Sprechen, an alltäglichen Kommunikationssituationen und transzendieren sie doch. Er hat in Chile und England publiziert, z.B. Square Poems (2002) und Banda Sonora (2006).


Andrés Anwandter
ist mit der Latinale 2017 in Berlin am 21.10. um 19 Uhr im Instituto Cervantes, sowie am 22.10. um 11 Uhr in der Buchhandlung Amarcord.



Zusammengestellt von Timo Berger, Rike Bolte und Laura Haber


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