Kristbergur Ó. Pétursson: 12 Haikus
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Kristbergur Ó. Pétursson
12 Haikus
(Privatveröffentlichung)
Aus dem Isländischen von Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer
smáréttaveisla
fyrir augað,
litbrigðin
á palettunni
vatnslitakassi,
pensill og
vatn í glasi
vin í
eyðimörk
lausar
skóreimar
draga línur
í snjóinn
Lífið
teiknar sig
þetta
júlíhaust
hurfu
vatnshæðarmælar
undir
regnhlífar
regnvot
margfætla
finnur skjól
undir laufi
við fætur
mína
frídagur í
sveit
vinnumaður
tyggur strá
úr heysátunni
þetta auða
blað
undir oddi
blýantsins
er opinn
gluggi
steypiregn
dynur
á
regnhlífaskóginum
í stórborginni
meinlaus
afþreying
að blása
sápukúlur
þær springa
hljóðlaust
hámöstruð
skúta
á teikniborði,
seglin
á saumaborði
morgunverkið
mitt.
feta mig í
myrkrinu,
fer út með
ruslið
fögur er
rjúpan
í vetrarham,
ógnarhröð
á hinsta
flótta.
vorspeisenfeier
fürs auge, das farbenspiel
auf der palette
aquarellkasten,
pinsel und wasser im glas:
freunde in ödnis
lose schnürsenkel
zeichnen rillen in den schnee
leben zeichnet sich
diesen juliherbst
verschwanden wassermelder
unterm sonnenschirm
ein tausendfüßler
findet schutz unter dem blatt
zu meinen füßen
urlaub auf dem land
ein arbeiter kaut stroh
aus einem schober
das leere papier
unter der spitze des stifts
ein offnes fenster
ein platzregen dröhnt
auf den regenschirmwald
in einer großstadt
ein gutes hobby
seifenblasen zu blasen
sie platzen lautlos
ein hochmastschoner
auf dem zeichenbrett, segel
auf einem nähtisch
meine morgenaufgabe
schickt mich hinaus ins dunkel
den müll rausbringen
schön ist das schneehuhn
im winterkleid, bedrohlich
schnell beim letzten flug
Kristbergur Óðinn Pétursson wurde
1962 in Island geboren. Von 1979 bis 1985 studierte er bildende Kunst an der
isländischen Fachschule für Kunst und Handwerk und absolvierte von 1985 bis
1988 ein weiteres Studium an De Rijksakademie van Beeldende Kunsten in
Amsterdam. Seine Werke wurden sowohl in vielen Einzel- wie in
Gruppenausstellungen gezeigt, auch erhielt er mehrfach „Künstlerlöhne“ und
Stipendien. Seine Arbeiten befinden sich in mehreren Museen Islands, auch in
dem erst vor einigen Jahren gegründeten ARSLONGA Museum für zeitgenössische
Kunst in Island. Eine erste schriftstellerische Tätigkeit im Jahr 1992
unterbrach er bald wieder, nahm diese im Jahr 2011 wieder auf. Seitdem
veröffentlicht er Gedichte, zusammen mit bildender Kunst. 2019 erschien ein
Buch, Efnistök/Painterly Matters, das neben Abbildungen seiner
bildnerischen Werke neun Gedichte enthielt, 2021 folgte der Gedichtband Vetrarfærðin
/ Winterbeschwer mit siebenundvierzig Gedichten und fünfzehn
Kaltnadelradierungen. Sein aktuelles literarisches Projekt besteht im täglichen
Schreiben eines Haikus.