Klaus Anders: Tom Bombadils Wald
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Klaus Anders
Tom Bombadils Wald
All that is gold does not glitter,Not all those who wander are lost;The old that is strong does not wither,Deep roots are not reached by the frost.
J.R.R. Tolkien
Von wo ich komme,
weiß ich nicht. Weiß nicht,
ob ich sterblich
bin. Mein Erinnern
beginnt mit dem
ersten Regen. Schon erwacht
war ich, als der
Wald keimte. In flutenden Moosen,
unter Farnen
trieb ich hin und schaute
in einen Himmel,
der immer da war in
beständigem
Wandel. So lag ich lange, bevor
ich das erste
Wort sprach, bevor ich erstmals
lächelte.
Der Wald behütet
sich selbst. Ich bin nur da.
Ein Zufall?
Fügung? Menschen gab es noch nicht.
Erst spät erfuhr
ich von ihnen. Kommen heut welche,
sprech ich sie
an. Kenn ihre Sprache, sie meine
nicht. Spüre ich
Arglosigkeit, harmlose Wißbegier,
führ ich sie aus
dem Wald hinaus in ihr Gewohntes.
Sehe ich Gier in
ihren Augen und Ehrgeiz, lass ich
sie durch, immer
tiefer ein in den Wald. Keine
Spur bleibt von
ihnen.
Dies hochmütige
Gezücht, das alles berührt.
Entdeckerfreude,
Schaffensdrang nennen sie es,
Erstaunliches
haben sie zuwege gebracht,
und hinter ihnen
die breite Spur aus
Verwüstung, Mord,
Knechtschaft.
Von Freiheit
faseln sie und gehen in Ketten,
sich selbst
angepasst und geschmiedet, getrieben
von dem Wahn,
besonders zu sein, allen anderen
Wesen überlegen,
die Erde zu besitzen wie sich
selbst, sie
greifen sogar ins All.
Ich bin innen,
sie außen. Nur wenigen Menschen
gelingt es für
Augenblicke, nicht außen zu sein.
Eins bin ich mit
allem, sie allem entgegen.
Kleiner bin ich
als sie und alt. Das steigert sie,
sie stoßen sich
an und grinsen:
Was für ein
Schrat! Verblödet. Ich lächle dazu,
ziehe weiter und
singe, kenne ihr Ende.
Sah die Keimlinge
des Walds, die Bäume in ihrer
ersten Jugend.
Einst bedeckten sie den ganzen
Kontinent, der Wald
wurde älter und
wanderte über die
Erde. Mal war er
am Amazonas, mal
war er Taiga, lange
waren wir in der
Mutter aller Wüsten.
Und der Wald
lernte dort, wasserlos
zu wachsen, nur
gedüngt von Licht, Kälte
und Hitze und
kosmischem Staub.
Dann wieder
schrumpfte er und zog
auf die Insel
Hokkaidō, von dort
ins Traumland in
der Mitte Australiens.
Sogar auf hoher
See trieb er, ein Teppich,
tauchte unter,
wurde zu Tang, fing Kriegs-
und
Handelsschiffe ein, befreite Sklaven,
gab ihnen den
süßen Tod.
Der Wald
widersetzt sich allen Versuchen,
ihn zu erkunden,
ganze Heere verschluckte
er, um deren
Verschwinden
die Menschen
Legenden woben
zum eigenen Ruhm.
Doch was
sind sie schon?
Selbst jetzt, da sie
abgängig sind,
halten sie sich für fähig,
mit ihren Mitteln
das Chaos, das sie
erzeugen, in eine
ausgedachte,
gewünschte
Ordnung zu bringen.
Mit denselben
Mitteln. Sie sagen
Gerechtigkeit und
meinen nur
sich und ihren
Vorteil. Den Wald
bedrängt ihr
Wühlen, mehr und mehr
wird er
unsichtbar, wächst in Höhe und
Breite. Die
ältesten Bäume, Farne,
gigantische Moose
und Flechten, so groß,
dass sie den
Regen steuern können,
murren...
Vielleicht werden einst andere
Wesen sich beugen
über Knochen und Haare,
rätseln, was die
Platinen mit undeutbaren
Zeichen dem Geist
der Menschen,
in ihren Händen
waren.
Auch ich kenne
Verzagtheit, Ermatten,
Zweifel. Nicht
aber Überdruss an meinem Wald,
der seinen Weg
nicht sucht, dem ich folge
und singe, der
einfach geht und kein Ziel hat
und findet, was
er findet.
für Andreas
Kohm