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Klára Goldstein: Drei Gedichte

Montags=Text

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Foto: Herbert Ritter

Klára Goldstein
Drei Gedichte
aus dem Tschechischen von Patrik Valouch und Klaus Anders


Festspielhaus

Das Festspielhaus,
heute weittönend in so vielen Schichten.
Und dazu noch der Regen…

Du schaust ihr zu, sie setzt sich,
Handschuhe übergestreift –
Satin und Silber.
Du stellst dir vor,
wie sie – schon ohne Handschuhe –
seinen Körper berührt,
lang nachdem du fortgegangen warst,
lang bevor du zurückkehrst.

Noch ein Blick, ganz flüchtig,
und die schlanke Erinnerung ist fort.
Auf einmal zerfällt was.
Ein anderer betritt die Szene.
Auch der Applaus klingt völlig anders.
Still und konzentriert setzen sie den Bogen an.
Irgendwas fehlt hier furchtbar.
Das Zittern, der Blick.
Der Klang, der von jetzt an immer fehlen wird.



Die Nacht dreht sich am Wetzstein.
Ohne eine Schramme.

In wie vielen Versionen dieser Symphonie
schreitet Gott über frisch gemähtes Gras
und lauscht den knackenden Halmgelenken!

In wie vielen Versionen dieses Satzes
weilt ein Engel über der Landschaft,
und die Raubvögel, sturmgepeitscht,
erliegen dem siebenköpfigen Wind!

Die Stille danach.
Licht in der Hand, mitten im Schlaf.

Die Nacht dreht sich am Wetzstein.
Ohne eine Schramme.



Weltende

Entsetzlich ferne Sternbilder
klirren wie Löffel
in Tante Hedas Besteckkasten.
Die Meteorologen
rufen die höchste Alarmstufe aus.
Doch wie verrammelt man die Fenster
vor dem Gleiten der Erdplatten,
vor der sausenden Willkür von Meteoriten…

Angeblich hat sich bislang nichts bewegt.
Es wird davon abgeraten, das Haus zu verlassen.
Die Wolken verdichten sich ungewohnt schnell,
zerschundene Bäume warten auf den Regen,
sie knarren und zittern.
In der dürren Luft wetzen Blitze die Sicheln.


Klára Goldstein (1988, Valašské Meziříčí), studierte Bohemistik an der Universität Olmütz und ist momentan als Redakteurin tätig. Bislang hat sie sechs Gedichtbände publiziert, darunter einige mit Bezug zur deutschen Kultur, wie etwa die für den renommierten Literaturpreis „Magnesia Litera“ nominierte Sammlung Falkenfrau (Host, 2021) oder Deště Maierniggu (Regen von Maiernigg, 2021).
Neben eigener Dichtung übersetzt sie Lyrik aus dem Spanischen und verfasst literatur-wissenschaftliche Studien. Kürzlich legte sie eine Monografie über die Rezeption von Pablo Neruda in der Tschechoslowakei vor. Das vorliegende Gedicht stammt aus dem Band Falkenfrau.

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