Johannes Kühn: Der Mähdrescher
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Johannes Kühn
Der Mähdrescher
Wie in eine Straße
Fährt ins Weizenfeld
der Mähdrescher,
er mäht die
Halme
und drischt die Ähren,
Geruch von Diesel um ihn,
Geruch von reifen Weizenkörnern.
Schrittweis,
langsam fährt er
und schneidet für zehn Männer
und mehr!
Ohne Mühsalseufzer,
ohne Fluch bei Disteln,
ohne Schweiß,
eisern mäht er durch den Acker.
Wie er so fährt
mit Summen
und Brummen des Motors,
gefüllte Säcke hinlegt in die Stoppeln hinter ihm,
und gut gebündelt und gebunden liegt das Stroh,
mein ich es müsse ein Gesang ertönen
zu seinem Lob.
Nur, bei der Arbeit
klingt mir sein Blech
wie die Begleitmusik
zur Sommerhitze dumpf.
Und auf dem Fahrerplatz
zufrieden sitzt ein Mann im blauen Hemd und lenkt,
der kann fröhlich pfeifen,
wie das gelingt
und wie das geht,
mechanisch,
wunderbar.
Johannes Kühn, Leuchtspur, Gedichte, Hanser 1995,
S.
73.
Ulrich Schäfer-Newiger
Auf die Götter
gepfiffen
Anmerkungen zu Johannes
Kühns Gedicht „Der Mähdrescher“
I
Wenn
Gedichte in der Vergangenheit Technik, technische Geräte und Dinge, Apparate
und Maschinen zum Gegenstand hatten, beschrieben sie sie in der Regel mehr oder
weniger poetisch-kritisch, distanziert, vor allem aber metaphorisch fixiert,
gleichnis- und symbolhaft verwandelt oder überhöht. Ein Beispiel dafür mögen
die Dampfallegorien im 19 Jhdt. sein, z.B.: „Aus einem edlen Stamme /
Entsproß der Junker Dampf: / Das Wasser und die Flamme /Erzeugten ihn im
Kampf; (Theodor Fontane). Oder es wurden, bis in die Gegenwart hinein, Tierbilder
bemüht, um das von den Menschen erschaffene Gebilde für sie selbst begreiflich
und anschaulich zu machen: Die Lokomotiven sind wie Urwaldtiere auf der
Flucht, (Max Barthel), oder: Da liegt das zwanzigmeterlange Tier, / die
Dampfmaschine, / auf blankgeschliffner Schiene / …das Biest es brüllt, das
Biest es brüllt / der Führer ist in Dampf gehüllt (Gerrit Engelke).
Diese
nur wenigen Beispiele sind angeführt, weil in dem Gedicht, um das es hier geht,
ebenfalls eine menschengebaute Maschine im Mittelpunkt steht, der Mähdrescher. Es
geht also nicht um eine postmoderne Maschine, nicht um ein Programm, eine
digitale Künstliche Intelligenz, welche unser Gehirn simulieren soll und deren
automatisches Arbeiten nicht hörbar, fühlbar, sichtbar und also unanschaulich
und im direkten Sinne unbegreiflich ist. Der Mähdrescher ist hingegen,
zwischenzeitlich zwar auch digital und GPS- gesteuert, immer noch eine analoge
Maschine, sichtbar, anfassbar, riechbar, unüberhörbar. Und eignet sich gerade
deswegen besonders dafür, das Verhältnis von Technik und Poesie vielleicht noch
einmal anschaulich nachzuzeichnen.
Es
fällt gleich auf, dass diese Maschine im Gedicht von Johannes Kühn nicht
symbolisch überhöht, nicht metaphorisch eingefangen und zugeordnet oder in ein
Tier verwandelt wird. Der Mähdrescher bleibt im Gedicht ein Mähdrescher. Die
Sprache ist nicht romantisch, sie wird auch nicht technisiert, wird nicht dem
Rattern und Brummen dieser Maschine, also dem maschinenhaften Grundrhythmus des
20 Jahrhunderts, sprachspielerisch oder zwanghaft angepasst. Einzig der in den
ersten drei Strophen jeweils festgestellte Sachverhalt, dass der Mähdrescher ‚schrittweise
fährt‘, erinnert ganz fern an eine rhythmische Wiederholung. Ansonsten sind
keine metrischen oder strophischen Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. Deren Fesseln
sind abgeschüttelt. Der Text bleibt sachlich, ohne sprachlich-artifizielle oder
formelle Besonderheiten. So etwa, wie der Mähdrescher sachlich unprätentiös und
ohne Besonderheit, aber „eisern“ mäht und ‚seine‘ Arbeit verrichtet.
II
Der
Verfasser des Gedichts, Johannes Kühn, starb am 3. Oktober 2023, 89-jährig. Und
bevor wir dem Gedicht nähertreten, sollte vielleicht zu diesem Dichter vorausgeschickt
werden: Johannes Kühn ist vermutlich einer der bekanntesten der unbekannten
Dichter Deutschlands, trotz der Preise, die er erhielt (z.B. Horst-Bienek Preis
für Lyrik, Herman-Lenz-Preis, Hölderlin-Preis, trotz der Übersetzung seiner
Gedichte in ein halbes Dutzend Sprachen, trotz der Tatsache, dass ihn Vargas
Llosa 2002 ausdrücklich als einzigen deutschen Dichter zu dem Weltkongresse für
Literatur in Mexiko einlud, neben Billy Collins aus den USA, um mit ihm
gemeinsam Gedichte zu lesen, trotz der Tatsache, dass Gedichte von ihm in die
Bibliothéque de la Pléjade aufgenommen wurden, usw. usf.) Dem lyrischen
Mainstream der späten achtziger, der neunziger und der Nullerjahre, in denen
die meisten seiner Gedichtbände erschienen, blieb er merkwürdig fremd, ein
Außenseiter, ein aus der Zeit Gefallener vielleicht. Das lag mutmaßlich daran,
dass Kühn ein Dichter aus der Provinz und in der Provinz war. Er war, im besten
Sinne des Wortes, ein Provinzdichter. D.h., das Dickicht der Städte hat ihm
nicht den Blick auf sich selbst und seine Umwelt verstellt. Die städtischen
Cafés, Literatenclubs, die intellektuell überkandidelten Literaturhäuser mit
ihren diversen Literatur- und Sprachperformances haben ihm nicht die Sprache
verschlagen, verbogen, verkünstelt oder bestimmt. In Dorfschänken freilich
kannte er sich aus, seine Gasthausgedichte gehören zu seinen eindrücklichsten.
Darin sieht er sich als verlachter Dichter im Wirtshaus, oder: Ich
Winkelgast, / gemieden, / nur besucht vom welligen Gelächter, / das als Meer
mir / an die Stirne spült, / bedenke, daß mein halber Groschen schwitzt, und
dem dort Betrunkene zubrüllen: Zum Arschabputzen / taugt Papier noch besser
/ das du beschreibst.
Noch
bevor der Modebegriff Nature Writing oder der noch neuere New Nature
Writing unter gegenwärtigen deutschsprachigen Dichterinnen und Dichtern für
eine Poesie grassierte, die es freilich schon seit Jahrhunderten gibt, war
Johannes Kühn ein Dichter der Natur, der in ihr lebte, in ihr ging oder stand
oder manchmal einfach nur lag. Sein Verhältnis zur Natur, der ersten wie auch
der menschengemachten zweiten oder dritten, war unmittelbar, nie aber unreflektiert,
unkritisch, blind. Auch davon gibt sein Gedicht Zeugnis.
Auf
den ersten Blick scheint das Gedicht „Der Mähdrescher“ auch nur einfach die
Arbeit eines Mähdreschers zu beschreiben: Der mäht die Halme und drischt die
Ähren, legt gefüllte Säcke in die Stoppeln hinter sich, schneidet und bindet
und bündelt auch noch das Stroh. Geruch von Diesel wird genannt, das Brummen
des Motors. Scheinbar wird das äußerlich wahrnehmbare Mechanisch-Technische
des Vorgangs betont. Sozialistischer Realismus ist das aber dennoch nicht. Und schnell
erscheinen im Text andere, darüberhinausgehende Feststellungen: er schneidet
für zehn Männer / und mehr! / Ohne Mühsalseufzer, / ohne Fluch bei Disteln, /
ohne Schweiß.
Damit
schon hat der Dichter mit wenigen Worten den antiken und jüdisch-christlichen Mythos
über die Mühsal des Erntens aufgerufen. Mühsal, Distelfluch und Schweiß waren
seit jeher Attribute der Getreideernte. Schon Vergil wusste im Ersten Gesang
seines „Liedes vom Landbau“ von Feldern zu berichten, die vor lähmenden Disteln
starrten (I,159) und: … im glutheißen Hochsommer mäht man das gelbe
Getreide, / drischt auf der Tenne bei Hitze die trockenen Ähren (I,298,299).
Dem Gott Jupiter unterstellte er, dass dieser den Feldbau für die Menschen
bewusst schwierig gestalten wollte, seine Herrschaft erst nötigte Bauern zum
Pflügen und Ernten (I, 126). Den Grund für diese gewollte Erschwernis
erwähnt er nur indirekt und beiläufig: Die Natur habe immer aufs Neue solche
Verpflichtungen verliehen seit Deukalion einstmals die Steine / hinter sich
warf auf die leeren Gefilde, die Steine, aus denen / Menschen erwuchsen, dies
harte Geschlecht. Vergil brauchte dazu nicht mehr zu erzählen, zu seiner
Zeit kannte jeder diesen Schöpfungsmythos. Uns Heutigen muss dazu erklärt
werden: Vor diesem Steinwurf hatte Jupiter die Menschen wegen ihrer völligen
Unbotmäßigkeiten und Verruchtheit gänzlich vernichtet, bis auf Deukalion und
seine Frau Pyrrha. Die sollten ein neues Menschengeschlecht gründen, das besser
wäre als die vorangegangenen. Darum sind wir ein hartes Geschlecht, das der
Mühen gewohnt ist, / und wir bekunden noch deutlich den Stoff, aus dem wir
entstanden, heißt es bei Ovid, der diesen Mythos über die Entstehung der
Menschen in seinen ‚Metamorphosen‘ ausführlich erzählt (I,89 ff). Der
christliche Schöpfungsmythos wird noch deutlicher, und das gleich mehrmals:
Nachdem Adam sich von Eva und diese von der Schlange zur Übertretung des
Verbots, vom Baum der Erkenntnis zu essen, hat verführen lassen, spricht Gott
bekanntlich zu Adam: Verflucht sei
der Acker um deinetwillen. Mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben
lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen und sollst das Kraut auf dem Felde
essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen …, 1 Mose 3,
17-19. Angesprochen ist hier Adam, also der Mensch. Und: Wenn du den Acker
bauen wirst, soll er dir hinfort sein Vermögen nicht geben, 1 Mose 4, 12.
Hier ist Kain, der Ackermann, dessen geerntete Feldfrüchte als Opfer von Gott nicht
angenommen wurden (!), angesprochen als Mörder seines Bruders, des Viehhirten,
der einzige noch lebende Sohn Adams und Urvater aller Nachkommenden. Im
jüdischen Schöpfungsmythos, erzählt in der Torah, Genesis 3, 17-19, finden sich
fast wortgleich die entsprechenden Äußerungen JHWH’s. Hier gibt es indessen
eine Deutungstradition, welche die Vertreibung aus dem Paradies und die
vorausgesagte Mühsal nicht als Strafe, sondern als Teil des göttlichen
Schöpfungsplanes ansieht, der die Menschen erst nach der Vertreibung aus dem
Paradies zu sich selbst kommen lässt, erkenntnisfähig, handlungs- und entscheidungsfähig,
eigenverantwortlich.¹
Zurück
zum von Johannes Kühn besungenen Mähdrescher: Der dient demnach entweder der (vielleicht
unzulässigen?) Umgehung des göttlichen Gebots der lebenslangen Ackermühsal des
Menschen, oder aber er ist gerade Ausdruck der durch die Vertreibung aus dem
Paradies gewonnen Erkenntnis- und Handlungsfähigkeit des Menschen, die auch die
Emanzipation von der mühseligen Ackerarbeit miteinschließt. Diese letzte
Deutung mag uns heute näher liegen und daher lieber sein. Der Mähdrescher wurde
dabei nicht „erfunden“, sondern über Zeiträume hinweg entwickelt. Schon Vergil
kannte eine erste technische Hilfe für die Getreideernte, die ‚Dreschwalze‘.
Fahrt nahm die Entwicklung des Mähdreschers mit dem Beginn der
Industrialisierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf, vor allem in
den USA. Dort waren die Flächen groß genug, wurden die Farmen bald
Fabrikbetriebe und bildeten so die Voraussetzung für die Mechanisierung der
Landwirtschaft. Ausführlich beschrieben hat sie Sigfried Giedion in seinem
Monumentalwerk „Die Herrschaft der Mechanisierung“, aus dem auch das
nachfolgende Bild eines US-Patentes für einen Mähdrescher aus dem Jahre 1836 stammt:²
Zum Vergleich: Die neueste Generation von Mähdreschern haben, wie der CNH von New Holland, 775 PS, eine Schnittbreite von 18 Metern und sollen bis zu 140 Tonnen Weizen pro Stunde schaffen.³
Gideon erkannte: Zum ersten Mal, seit Menschen die Erde bearbeiten, verlangt sie nicht mehr Schweiß und ein Übermaß von Zähigkeit. Maschinen besorgen die Arbeit. Was die Theoretiker des achtzehnten Jahrhunderts auch in Visionen nicht voraussahen, ist eine alltägliche Angelegenheit geworden. Wenn irgendwo, so hat die Mechanisierung hier den Menschen von Mühsal befreit.⁴
Genau diese technikbedingte Folge für den Menschen (u.a., dass sie nicht mehr hart sein müssen, keine Fronarbeit, sprich: entfremdete Arbeit mehr verrichten müssen) ist Gegenstand des Gedichtes von Johannes Kühn. Und der Dichter meint deswegen: es müsse ein Gesang ertönen / zu seinem Lob. Aber er stockt beim Versuch dieses Lobes, denn bei der Arbeit klingt ihm das Blech der Maschine in der Sommerhitze doch dumpf. Bei diesem gleichsam zart-äußeren Einwand gegen die Maschine belässt er es. Aber vielleicht müssen wir uns die Strophe, in der dieses leise Unbehagen formuliert wird, nachher noch genauer ansehen. Der Dichter wendet sich im Text wieder den positiven Folgen der Technisierung zu, indem er den Mann auf dem Fahrerplatz beschreibt, der die Maschine im blauen Hemd lenkt, und: der kann fröhlich pfeifen, / wie das gelingt / und wie das geht, / mechanisch, / wunderbar.
Der fröhlich pfeifende Mann, der im blauen Hemd die Maschine lenkt, ist nun das Gegenbild eines sich abmühenden, schwitzenden, fluchenden Landwirts. Pfeift er sich eins auf die Götter, die einem wie ihm Mühsal auferlegen wollten und deren Gebot er mit dem Mähdrescher austrickst? Der Mann kann pfeifen, weil er selbst die spezifischen Techniken des Erntens nicht mehr lernen und beherrschen muss: Das Schneiden der Getreidehalme, das Dreschen der Ähren, das Bündeln des Strohs, das Füllen der Säcke. Der Mann im blauen Hemd lenkt den Mähdrescher mühelos, er macht dies ohne die Art der Mühe, die die einzelnen Erntetechniken erfordern. Das Lenken und Steuern der Maschine, vor dreißig Jahren, zur Entstehungszeit des Gedichts, vielleicht mit einem kleinen, hydraulisch unterstützen Lenkrad, Hebeln und Pedalen, heute mit einem Joystick oder dem Tablett im Büro, mit dem nur noch überwacht wird, ob die Maschine die Programme fehlerfrei abarbeitet, dieses Steuern ist eigentlich eine gewaltige Abstraktion, eine unpersönliche, gefühllose Arbeit, die nicht mehr der Vermittlung durch die äußeren Sinne bedarf, nicht mehr der direkten Beziehung zur Erde, über die der Lenker in seiner Maschine mühelos hinwegfährt.
Giedion übrigens verschwieg nicht die negativen Folgen dieser Mechanisierung der Landwirtschaft (Arbeitslosigkeit, Entwurzelung der Farmerfamilien) und hat gerade hervorgehoben, dass sich das Verhältnis des Bauern zum Boden (also: zur Natur) aufgrund der Technisierung, der Übertragung seiner Arbeit auf eine Maschine, radikal verändert hat.
Johannes Kühns Mähdreschergedicht und seine Beschreibung des Mannes auf dem Fahrerplatz handelt also auch vom Verhältnis des Menschen zur Natur, ohne dass dies ausdrücklich ausgesprochen wird. Aber in den letzten Zeilen und wie das geht / mechanisch / wunderbar kommt der Charakter dieses Verhältnisses deutlich zum Ausdruck: von der Mechanik geprägt und damit „wunderbar“. Aber zugleich ist es ein sich Entfernen von der Natur. Der Mann oben im Steuerhaus schwebt gleichsam über dem Boden, aus dem herauswächst, was zu ernten ist. Unmittelbaren Kontakt mit der Erde hat er nicht mehr. Auf den kann er pfeifen.
III
Ist Kühns Gedicht also nur eine kritiklose Hymne auf die Technik, weil sie deren negative Folgen nicht kennt und nicht benennt? Wir erinnern uns: Am Ende der dritten Strophe meint der Dichter, es müsse ein Gesang ertönen zu seinem (des Mähdreschers nämlich) Lob. Aber dieser Gesang ertönt nicht, wir lernten schon, dass unmittelbar darauf, in der nächsten Strophe, das Blech der Maschine dem Dichter dumpf klingt zur Sommerhitze. Wo der dumpfe Klang herkommt, erzählt uns der Dichter nicht. Wir erinnern uns auch, dass er zum Rhythmus des Mähdreschers nicht mehr sagt, als dass dieser „eisern durch den Acker mäht.“ Dieses Bild evoziert einen stumpfsinnigen, dumpf-lauten, eben mechanischen-dröhnenden Ablauf des Geschehens, ohne jegliche Leichtigkeit, ohne tanzendes Auf und Ab. „Eisern“ heißt eben gerade nicht: „lebendig“. Und, wenn wir es recht bedenken: Erscheint uns die Sprache des Gedichtes nicht ebenso: Jedenfalls ohne musikalischen Rhythmus, ohne tanzende, gefühlsgeladene Leichtigkeit, ohne Gesangscharakter, eher wie eine irgendwie trockene, prosaisch-funktionale Beschreibung? Trotz oder wegen der folgenden Darstellung des fröhlich pfeifenden Fahrers auf dem Fahrersitz, kommt da ein von irgendwoher auftauchendes, kaum merkbares, nicht genau beschreibbares, Unbehagen an die Oberfläche des Bewusstseins, des Textes, des Gedichtes. Und erhalten die beiden letzten Wörter, nämlich: mechanisch / wunderbar dadurch nicht einen Beigeschmack (vielleicht sogar ironischen?), der eben nicht ganz schmeckt? Hervorgerufen durch die von unserer Technik betrogenen Götter und die um ihre Arbeit gebrachten Menschen? Genau wissen wir das nicht, der Dichter hilft uns da nicht, sondern hält das Bild und unsere Ungewissheit in der Schwebe. Es ist diese nur angedeutete Unbestimmtheit, diese Ungewissheit, welche die poetische Qualität des Gedichtes ausmacht, weil sie das Verhältnis des Menschen zur Natur und gleichzeitig zur von ihm entwickelten Technik charakterisiert.
¹ Vgl. dazu: Peter Schäfer: Die Schlange war klug. Antike Schöpfungsmythen und die Grundlagen westlichen Denkens, C.H. Beck, 2022, S. 11-12 und 328, 329.
² Sigfried Giedion: Die Herrschaft der Mechanisierung, athenäum, 1987.
³ FAZ vom 21.November 2023, S. T 1.
⁴ Giedion, a.a.O., S. 192.
³ FAZ vom 21.November 2023, S. T 1.
⁴ Giedion, a.a.O., S. 192.