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Gerhard Altenbourg: wald minotaurisch

Rezensionen/Lesetipp > Kurzkritiken


Timo Brandt

Gerhard Altenbourg: wald minotaurisch. Gedichte. Göttingen (Wallstein Verlag) 2019. 96 Seiten. 16,00 Euro.

Explosive Skizzen


„Der logische Hund bellte als ich nach Hause kam
o welch harter Verlust meiner rechten Niere
ach trunkener Mohn benebele
kleine Wanzen
ein Blatt im Summen der Nacht
und einen Zeitraumbalken im Nirgendwo“

Die hier versammelten Gedichte des Künstlers Gerhard Altenbourg stammen mehrheitlich aus Künstlerbüchern, in denen sie zusammen mit Aquarellen, Zeichnungen und anderen bildnerischen Werken veröffentlicht wurden. Es sind Spielereien, schnelle, akzentuierte Phantasien und Eingebungen, nicht selten stakkatolastig, assoziativ-dynamisch, aber auch dezent-analytische Zwiegespräche, Befragungen.

„Ich befinde mich müde

Einzeln wird jeder zermatscht
Sein Exit“

„Vorn bei den Angriffstruppen singen sie das gleiche Penislied“

Sie haben nicht selten etwas Gnadenloses, fast schon Urtümliches, das ihnen einen gewissen Reiz gibt. Einzelnen Zeilen gelingt regelmäßig ein Schmunzeln, sogar eine Entzückungsfurore. Motive sind anfangs immer wieder aufklaffende Erinnerungen an Krieg und Nazizeit in der Landschaft, gefolgt von Auseinandersetzungen mit den Bedingungen und Hoffnungen eines Ichs und jede Menge Skizzen von Szenerien, seelischer und physischer Natur, dazu mythische Figuren, Dimensionen.

Der Band lädt zur Erkundung eines nicht konsistenten, sondern sehr unterschiedlich angelegten und ausgelebten lyrischen Werkes ein (dergleichen ist mir das letzte Mal bei Rainer Komers „Worte Fliege Agfa“ begegnet). Als solcher ist er ein kleines, feines Abenteuer.

„Wald minotaurisch
geneigt über dir
Nacken dieser zum Erfühlen reif
oh Fontanellen-Studium
im Angesicht der Unendlichkeit“

„Geäder des Lichts im Schema einer vorüberhuschenden Lust
Felsrisse mit Blinkzeichen aus Moos und Farnen
Gewebe aus Ich und Zeit“

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