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Franz Hofner: Morteratsch

Gedichte > Lyrik heute
Franz Hofner

Morteratsch


Heulende Ärztinnen Kopf hint-
über gestülpt. Wir stehen wie stürzen-
de Radlader peinlich berührt im Nacken
die Hütte. Randexistenzen in milch-
igem Kreislauf. Habitat Seiten-

moräne. Gestikula frontal cran-
ial dann sagittal bis am Gletscher-
maul die feinen Finnen sich ans
Herze legen. Trocknen rubbeln alles
wieder gut? - die Unruhe in den Äugelein

bleibt - Herzhöhenlunge gut? Blutwerte gut?
Letztes Schluchzen Zungen lösen Brillenblick
ans Gelän- der Puls? - floppt abwärts das Tal
entgeisternd lang rollt seitlich Zenti-
meterweise seilversichert unten graue

Fut und Bruch und -wände (hässlich!) trübe
Steilwandstimmung. Brecchien Gletscher-
knorpel auch dort unten milchiger Ausfluss
doch jetzt per Dekret: wunder- (irgend) wie
wunderschön. Nicht? Das Eis und nejn

nicht diese Janitscharentöne Schmelze
Tropfrinnen zerlaufende zerfallende Schotter-
beete. Schlürfend streicht das bröselt ehemals
erhaben (jetzt luschel laschel) Talrinnsal ten
nein eleven elfengraue Steinstaubwolken steigen

Taube Gries- und Kiesniederschläge all das
Wälzen von oben das bröckeln kalkig
am Seil und steil übergriffiger Schritt was los-
getreten (Baustelle, tja Abraum wie‘n Kies-
werk) knallt ordentlich (Vorsicht?) zur

Talsohle wo Touris, hunderte unten breit wie
auf Autobahnen patschende Nonnenmeisen in
Scharen zur Zunge (schade dieser Dreck drauf!) wie
Spiel Figuren Streichholzkopfgroß und spricht deutlich
der Mund nicht spricht er nicht gletschere Wahrheit?


Aus dem Zyklus "Bernina Gedichte" von Franz Hofner.
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