Franz Hofner: Contemplation
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Franz Hofner
Contemplation
Pupille, Wurmloch im Apfel des Auges, blickst wohin? Ein
schlangenartiges Schwanken - dort ist ein Eingang, ein schwarzes, Licht
verschlingendes Loch. Was denkst Du gerade, Frau? Was hast Du im Kopf? Die
schillernde Iris, schlecht geschützt vor dem prüfenden, hin- und her
schiebenden Finger durch das wehrlos-schlaffe Lid, egal ob sie im Lampenlicht nun
glänzt oder nicht. Es ist lange her, als man glaubte, Krankheiten an der Iris
festmachen zu können. Und unwahrscheinlich, dass es gut gelang - ein Fremdkörper
ist das Auge, wie eingesetzt in den Kopf, eine Glaskugel, ein geometrischer
Gast, vielleicht zugewandert, so wie einmal Bakterien in die Zellen eintraten, etwas
leichtsinnig, etwas unvorsichtig, sich willkommen fühlten, ihre Arbeit beisteuern,
sich nützlich machen wollten, um das Gastrecht zu behalten, schwere, immer
schwerere Arbeit übernahmen und als die Schufterei keine Luft mehr ließ und es
seit langem zu spät war, realisierten, dass sie nun Sklaven waren, in Zellen eingemauert
für immer, zu Mitochondrien mutiert.
Zwei Männerhände in Latex tasten sich zwischen den
Hirnhälften hinab Richtung Rückenmark. Es ist, wie so oft im Kopf, nicht der
naheliegende Weg. Vieles will berücksichtigt werden, wenn die Sache mit dem Kopf
gelingen will, lieber einen Umweg zu viel, vielem Verletzlichen weicht man
besser aus. Das Auge geht seine schlackernden Irrgänge am Anästhesisten vorbei,
jemand zu Haus, fragt er, das darf es tun, er ist mit Schlingern und Schweigen
als Antwort zufrieden, wichtig ist nur, dass der Kopf gut festgemacht wurde.
Drei kräftige Schrauben, das ging dem Kopf nicht leicht ein, die Ruhigstellung
fiel schwer, den malträtierten Knochen, deren drei Spitzen glitten leicht durch
die Kopfhaut, das ließ sie sich noch gefallen, doch dann kam der harte
Widerspruch und der Arzt ins Schwitzen, es knirschte. Irritierend, dieser
langwierige Vorgang, so erzählt die Tochter hinterher, aber sie meinte da schon
nicht mehr das Geräusch, das wenige Blut, seltsam fand sie, als wäre sie, der
Gast, ganz Frau vom Fach, dass während des Schraubens zu keiner Zeit, ja, so
nannte sie das, ein neues Element in ihrem Wortschatz, Vitalparameter
abgenommen wurden.
Das Öffnen eines Kopfes, eine Routine wie erfunden für die
kleine Flex, doch unangenehm in Geräusch und Geruch. Die Maschine könnte es
auch im Baumarkt geben, sie würde genauso gut in raueren Händen Gasbeton oder
Bims zerteilen. Ein Geruch nicht nur mehlig-angebrannt, sondern weißlich-weich,
unerwartet dort im Heiligtum, wie andererseits alles im Menschen drin unangenehm
riecht, Männer wie Frauen haben Dinge nach innen genommen, sogar oder vielleicht
vor allem da, vielleicht verlangt das die Logik, sogar in der Top-Etage, das edle
Hirn riecht nach Innerei.
Ein Tasten nach dem Linken und dem Rechten, den komplizierten
Weg ins Tieferliegende, den wissen die Latex-Hände. Unten über dem Rückenmark,
das haben sie gesehen, da wohnt ein Skarabäus, ein fremdes Tier hat sich in die
Gedanken geschlichen, zwar gutartig, aber nur so gutartig, wie Tiere eben sein
können. Ein Kopf ist ein sehr begrenztes Ding, und Tiere, wie viele vielbeinige
Tiere passen in einen Frauenkopf? Das Herz, so heißt es, sei die am großzügigsten
gebaute Wohnung im Menschen, dort könne an sonnigen Tagen die ganze Menschheit
einziehen. Kann sein, aber nur, wenn der Kopf es zulässt, und der Kopf kann ein
finsterer Zimmerwirt werden, wenn ihn etwas drückt, wenn ein Skarabäus seine
Mistkugeln in ihm rollt. Man kann das nicht dauerhaft zulassen, irgendwann muss
man das offen legen.
Es ist ein Eingriff, so heißt das, und zu Recht, ein
Eintasten und -greifen und ein Freilegen, eine Fingerspitzenarbeit, erst als
der Käfer schon fast gefangen ist werden erste Fäden gelegt, wird eine Fadenfalle
geknüpft, die zugezogen werden kann, obwohl er gar keinen Ausweg sucht, liegt exponiert,
wie präpariert, geblendet vom Halogen, macht keinen Satz, wie auch, er entgleitet
diesem Malheur nicht mehr. Wie spricht man einen Skarabäus an, der aus dem
feuchten Nilschlamm kroch, Leben aus dem Nichts geboren, schillernd, der
Repräsentant des Sonnengotts in der Wohnung des Menschen, welche Sprache
braucht es, dass er hört? Es gibt Gerät dafür, der Mensch ist sicht- und hörbar
überall, nicht nur dort, wo er selber sieht und hört. Eine feine Sonde
Ultraschall, dieses Wort versteht auch der härteste Panzer und der Mensch fragt
nicht nach einer Antwort. Die Zange des Operateurs kneift und zupft, zerteilt
und am Ende wie immer, alle Entscheidungen trägt der Mensch so aus, Ingenieur
durch und durch, glänzendes, scharf geschnittenes Metall kommt ins Spiel und
der allem Anschein nach zu Ende analysierte Sonnengott geht blutrot unter.