Frank Norten: Kaliningrad, Berlin, Köln
Gedichte > Zeitzünder
Frank Norten
KALININGRAD, BERLIN, KÖLN
die plattenbauten von kaliningrad laden
zum träumen ein
man muss dort nicht wohnen
man muss dort nicht gewesen sein
man muss in diesem zusammenhang nicht immer wieder
von immanuel kant reden oder
von der geburtsstadt einer käthe kollwitz
wie wäre es mit michail iwanowitsch kalinin?
der schrieb seinen namen,
sein „ich bin dafür“,
unter die vorlage von stalin,
das massaker von katyn durchzuführen
polnische leichen geben ja einem russischen kommunisten
viel ruhe
ich für meinen teil löffle herrlich entspannt meinen teller
borschtsch im RESTAURANT DES SIEGES,
am pregelfluss, blinzle hinüber zum deutschen dom
sie haben ihn wiederaufgebaut
das ordensschloss wurde natürlich gesprengt
selber schuld,
wem hier der appetit fehlt
in berlin machen die generalkanaken
längst tabula rasa
sie beherrschen die strassen von neukölln, moabit,
wedding und kreuzberg
und die nacht
und die mädchen
das, was man hier braucht, sind geld, drogen und messer
der steinerne onanist verzieht nur den mund
er sieht sich umringt von lauter
kleinen kopisten,
die drei strassenzüge weiter mit ihrem penis
spielen lassen
was für ein unendlicher spass
after work
ich sah josephine witt,
femeaktivistin,
während des weihnachtsgottesdienstes im kölner dom
barbusig auf den altar springen und
schreien,
dass sie gott sei
ich wusste es immer, gott ist nicht tot
es wird eine grosse kälte geben
es wird eine grosse hitze geben
es gibt ein grosses verfaulen
und die nächte wollen,
dass du rauskommst
dass du von deinem stuhl aufstehst,
an dem du dein leben lang geklebt hast
Frank Norten, 2016
„Unendlicher Spass“ - aus „Hamlet“ und der Titel eines
Buches von David Foster Wallace