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Elke Engelhardt: Zum Muttertag

Memo/Essay > Aus dem Notizbuch

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Elke Engelhardt

Zum Muttertag


Die Mütter

Die Mütter mit ihrem fransigen Verstand
die Mütter die alles spüren und nichts sagen
Die Mütter die sich ständig selbst verlassen
um etwas anderes am Leben zu erhalten
Die Mütter die selbst eine Mutter brauchen

trotzigen kleinen Schemen gleich
zieht das Leben der Kinder vorbei
Ausgetrunken bleibt die Mutter zurück
verlassen von allen guten Müttern
Der Tag zwitschert und jodelt
Die Mutter liegt leblos hinter ihren Träumen
Ratlos stehen die Kinder um ihren Körper
werden wieder und wieder geboren



Vornüber gebeugt

Meine Mutter lief immer vornüber gebeugt
Etwas schob sie von hinten
etwas anderes zog sie nach vorn
Sie war immer da und niemals anwesend
So lief sie unserer Kindheit hinterher
auf der Suche nach sich selbst
Sie schrieb uns nichts vor
aber alles auf

Ihr Wissen stammte aus Büchern
Sie war auf unbeholfene Art klug
bewahrte ihr Wissen
in abgetrennten Händen auf
Ihr Bewusstsein vom Fehlen
war allumfassend

Am Sonntag wenn die Gebete sie einholten
wie ein von den Wellen vergessenes Schiff
stieg das Wasser in ihren Augen
schwemmte unser Spiegelbild fort

Für die Dauer einer Sekunde
war sie beinah frei



Mondsüchtige Mütter

Mondsüchtige Mütter
halten ihre Kinder
flüstern in Schnittstellen
als wäre Lautstärke eine
lindernde Kraft
und jede Müdigkeit ein Versprechen
auf künftigen Schmerz
Die Jahre ziehen die Mütter zurück
in Zimmer die heißen es war einmal

Ausgeschlafene Mütter
sehen sehnsüchtig aus dem Fenster
suchen Schnittstellen am Himmel
Zimmer die es einmal gab


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