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Dietmar Koschier: Intra ecclesiam nulla salus est?

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Dietmar Koschier

Intra ecclesiam nulla salus est?
(Anspielung auf den kontroversiellen, um 1440 als Dogma festgeschriebenen Lehrsatz
„Extra ecclesiam nulla salust est“, wonach es außerhalb der religiösen Institution kein Heil gäbe)


Ich kann mich erinnern: Während meiner Kindheit in den 80er-Jahren war die Kirche unseres Ortes an Sonntagvormittagen brechend voll. Und ich habe es gehasst, wenn in der Sitzreihe meiner Mutter kein Platz mehr frei war und ich neben wildfremden Menschen in muffigen Lodenjankern Platz nehmen musste. Auch für die Jugendlichen war die sonntägliche Messe, wenngleich etwas entrückt oben in der Galerie, fixer Treffpunkt.

Als Mitte der 1990er im Fahrwasser der Missbrauchsskandale die religiös-kirchlichen Gepflogenheiten rapide abgenommen haben, hat ebenso die Zahl der Messbesucher rapide abgenommen; heute finde ich in jeder Kirchenbank genügend Platz, egal wo meine Mutter sitzt. Bei allem Verständnis für die großflächige Abkehr angesichts unerträglicher Heuchelei und widerwärtiger Verbrechen, die an Kindern und Jugendlichen begangen wurden und jeder christlichen Gesinnung spotten, darf man sich dennoch fragen, wie tief die zur Schau getragene Religiosität in Österreich, das Mitte der 1990er formal noch zu 89% katholisch war, je gereicht hat, wenn man das Interesse daran aufgibt sobald das äußere Umfeld dies von einem nicht länger erwartet?!

Der Wegfall sozialer Gewohnheit hat offenbart, wie wichtig einem Gutteil der sog. Gläubigen ihr Glaube tatsächlich war. Eine Szene aus dem Film Der Pate III veranschaulicht dies: Der spätere Papst Johannes Paul I. fischt ein Steinchen aus einem Teich und zerbricht es: „Sehen Sie sich diesen Stein an. Er ist lange Zeit im Wasser gelegen. Aber das Wasser hat ihn nicht durchdrungen, im Inneren ist er vollkommen trocken. Dasselbe ist in Europa geschehen. Jahrhundertelang waren die Menschen vom Christentum umgeben. Aber Christus ist nicht durchgedrungen. Christus lebt nicht in ihnen…“

Der Philosoph Sören Kierkegaard verhöhnt ein uninspiriertes „Religionsbeamtentum“, und Nietzsche drückt seine Skepsis gegenüber den Christen mit dem Befund aus, sie müssten eigentlich erlöster wirken. Denn auch daran erinnere ich mich: raunzen, sich über andere das Maul zerreißen und gehässiger Klatsch gleich im Anschluss an die Sonntagsmesse. Sämtliche salbungsvollen Worte, sämtliche Appelle an das Bessere, die man kurz zuvor bejaht hat, wie weggeblasen… Als Bub konnte ich meine Empfindungen nicht in Worte fassen, doch intuitiv erkannte ich: hier passen Schein und Sein nicht zusammen.

Die Masse der damaligen Kirchgänger waren wohl Taufscheinkatholiken, die an den Inhalten des Christentums kaum je Anteil nahmen, nicht einmal in Form fundierten Widerspruchs. Den äußeren Vollzug, die formelle Mitgliedschaft zu einem Verein verwechselten sie mit einer echten Begegnung mit dem, was Mystiker das innere Licht nennen – Christus – und die Menschen veredeln kann. Das bedeutet nicht, dass das Leben jener, die dieses innere Licht suchen und vielleicht finden, weniger beschwerlich wird; weder werden sie schmerzunempfindlich noch flugfähig. Aber sie strahlen selbst angesichts unleugbarer Missstände eine Gelassenheit und heitere Zuversicht aus, die wahrhaft spirituelle Menschen zumeist auszeichnet.

Gottes Größe, eine Größe, die sich klein machen kann, braucht weder unseren Dienst noch unsere Verehrung! Bei den Göttern der Antike stellte man sich dies so vor, doch was wäre das für ein armseliger Gott, der mit Superlativen wie „Licht der Welt“, „Kelch aller Tugend“ behängt wird, aber gleichzeitig auf unsere Anbetung angewiesen wäre? Zeremonien, Liturgien etc. sind äußere Vollzüge, die die Menschen berühren und verwandeln können, sofern deren Herzen aufgeschlossen sind für eine Art höhere Entwicklung oder Erkenntnis, welche hinter den vordergründigen Riten sicht- und spürbar wird. Formalitäten und fromme Gesten sind für die Würste wenn man, wie es der Schriftsteller Erich Hackl formuliert, beim Schlusssegen in Gedanken schon seit einer halben Stunde beim Wirten sitzt. Man wird ja auch kein Auto nur weil man in einer Garage steht. Das haben viele Zeitgenossen, sowohl jene, die das Christentum bzw. die katholische Kirche mit einem dogmatischen Traditionsverein verwechseln, als auch oberflächliche Kritiker von Kirche, Religion und religiösem Vollzug kaum je begriffen.

Wenn du nun wissen willst, wie man dieses innere Licht entdecken kann, hat den besten Rat dazu der Theologe Dietrich Bonhoeffer einmal einem Freund gegeben, der ihn um dessen Zuversicht, die er aus seinem Glauben schöpfte, beneidet hat: „Geh in eine Kirche. Knie nieder. Horche. Der Rest geschieht ganz von alleine…“


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