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Ángeles Mora: Sommers

Gedichte > Zeitzünder
Ángeles Mora
Aus dem Spanischen von Geraldine Gutiérrez-Wienken
und Martina Weber

Sommers

Immer schon, wenn die Angst mich umklammert,
hab ich versucht, mutig zu sein.
In der unendlichen Siesta meiner Kindheit
im Inneren des Hauses, während der Schwüle der Abende
summten zögernde Stimmen, Echos der Älteren,
Fragmente schlaftrunkener
                                       Konversationen
aus Schaukelstühlen.

Auf der anderen Seite dieser Siesta
flüchteten wir, die Kleinen,
raus auf die Straße, rein ins Gewühl.
Alle zusammen auf einem bombastischen Wagen
aus Holz – mein Pferd – ich hielt mich am ruckelnd
vibrierenden Lenker oder am Zaumzeug, und tschüss!
auf metallenen Rädern, runter auf einem einsamen
Hang, mein Herz
fiel in meine Hosentaschen, wir rutschten
in die Schwüle eines Abends.

Ich bremste nie. Ich wusste, irgendwann
würden die Räder, durchgedreht wie sie waren,
ihre Begierde stillen, und in der Ebene exakt
an der Stelle stoppen, wo Häuser
ihre Schattenportale öffneten.

Dann endlich würde auch ich aufrecht stehen, einfach nur
da sein, auf dünnen zittrigen Beinen. Inmitten
der Straße. In den Armen der Angst.

Veranos

Siempre busqué el valor en los brazos del miedo.
En la siesta de la niñez sonaban,
al fondo de la casa, en el bochorno de la tarde,
voces entrecortadas, ecos de los mayores,
restos de conversaciones
                                      dormidas
sobre las mecedoras.

Mientras tanto,
en la orilla de la siesta,
los críos escapábamos
al fuego de las calles.
Entre gritos compartíamos
un carro de madera deslumbrante
—mi caballo de adioses—
que bajaba la cuesta solitaria
chirriando sus ruedas metálicas,
abriéndose en la tarde pegajosa,
audaz, acelerado.

Yo me agarraba fuerte al manillar o a las bridas,
con el corazón en la boca.

Pero nunca frené. Sabía que al final,
en el llano, las ruedas locas calmarían su afán
y se detendrían justo allí,
donde las casas abren sus portales de sombra.

Para que al fin me alzara sobre mis piernas flacas,
temblorosas.
En medio de la calle.
En los brazos del miedo.

In Ángeles Mora, Spiegel der Spione | Espejo de los espías. Aus dem Spanischen von Geraldine Gutiérrez-Wienken und Martina Weber. Illustration: Josefina Wolf, www.josefinawolf.com. Satz und Design: Eddy Rafael Reinoso. hochroth Heidelberg 2019 / ISBN: 978-3-903182-29-5

Ángeles Mora, geb. 1952 in Rute, Spanien, lebt seit 1980 in Granada. Sie studierte Hispanistik an der Universidad de Granada. 1982 erschien ihr erster Lyrikband Pensando que el camino iba derecho. Es folgten: La canción del olvido (1985), La guerra de los treinta años (1989, Rafael Alberti Poetry Prize), La dama errante (1990), Caligrafía de ayer (2000), Contradicciones, pájaros (2001), Bajo la alfombra (2008), Canciones inaudibles (2018, mit zwei CD’s und einem Vorwort von Olalla Castro). 2016 erhielt sie den spanischen »Premio de la Crítica« für ihren Lyrikband Ficciones para una autobiografía (2015). Die Gedichte auf den Seiten 3 bis 25 der vorliegenden Publikation stammen aus diesem Buch. Im Jahr 2017 wurde Ángeles Mora mit dem bedeutenden spanischen »Premio Nacional de Poesía« ausgezeichnet.
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