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Andreas Altmann: Häuser

Gedichte > Lyrik heute

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Andreas Altmann

Häuser


Die Häuser verstehen den Schlaf. Sie gehen sehr langsam dahin.
Sie wachen nicht auf. Sie haben kein Gedächtnis. Sie sehen mit
den Augen der anderen. Das Licht geht aus. Das Licht geht an.
Ein Haus kann lange allein sein, ohne zu weinen. Es steht immer
zu sich, egal, was die anderen sagen. Der Sommer kommt an
sein Ende. Es sind seine heißesten Tage. Frauen fächern sich Luft zu,
wenn sie die Häuser verlassen. Sie tragen die schwarzen Brillen.
Männer stehen am Fenster und stützen die Wände. Die Wäsche
auf der Leine ist ausgetrocknet. Unter ihr ist die Wiese verbrannt.
Jeder begonnene Satz kommt auf seinen Anfang zurück. Das führt
nicht weit. In den Häusern finden die Fliegen keinen Ausgang.
Das Leben ist kurz. Die Bäume flattern im Licht. Noch halten Blätter
die Zweige. Immer dieser Husten, der Worte auseinanderreißt.
Die Maisernte war gut. Für sie war das verregnete Frühjahr
von Nutzen. Das Licht geht aus. Das Licht geht an. Keine Früchte
trugen die Obstbäume in diesem Sommer. Ich hänge am Leben,
vielleicht mit dem Kopf nach unten. So sehe ich die verkehrte Welt.
Ich bin froh, diesen Text geschrieben zu haben. Er sieht mir ähnlich,
hast du gesagt, als ich durch das Gartentor gehe, oder komme. Alles
eine Frage, die sich nicht stellt. Es ist 10.17 Uhr, ein Mittwoch
im September. Das Licht bleibt an. Das Licht bleibt aus. Die Einfahrt
in den Bahnhof wird sich verzögern, sagt eine Lautsprecherstimme.
Das wäre noch mal eine Chance.


Vgl. "10 Fabelhäuser" von Andreas Altmann »
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