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Werner Weimar-Mazur: jahrestage sucht man nicht aus

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Werner Weimar-Mazur

jahrestage sucht man nicht aus

ich muß für mein leeres Zimmer Blumen stehlen,
denn mein Schutzengel kommt zu mir zum Abendessen.
(Christoph Meckel: Tarnkappe, Gedichte, München 1956)

jahrestage sucht man nicht aus
das leben gibt sie vor
das sterben
die schnee-eulen beräumen die städte und landschaften
befreien sie
vom müll und schutt ganzer zivilisationen
ein asphaltrest eine ackerkrume
ein vers
nichts bleibt mehr übrig
die weltwinde versammeln sich
auf den gräbern vergessener dichter
findlinge toteis
stimmen
markieren die stellen
wo einst meropsvögel die häuser bewohnten
nachtfalter die täler
noch ist der himmel voll vom staub ihrer schwingen
noch einen ganzen winter lang
lichter heben an
machen sich auf aus den unterirdischen labyrinthen der grabkammern
steigen mit zwergen an ihrer seite
zurück auf die erde
die finsternis zu vertreiben welche die flüsse mitbrachten
von einer langen reise durch das land der gedichte
[wenn ich sie lese
fließt mit ihnen
eine tonspur]
[geschrieben für den 29. Januar 2021, Waldkirch]


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