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Wendy Law-Yone: Dürrenmatt and Me

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Jan Kuhlbrodt

Wendy Law-Yone: Dürrenmatt and Me. Eine Passage von Burma nach Bern. Englisch / deutsch. Übersetzt von Johanna von Koppenfels. Berlin (Verbrecher Verlag) 2021. 220 Seiten. 18,00 Euro.

Lob der fremden Sprache


Morgen ist Pfingsten, und ich hatte mir einige sprachtheoretische, sprachkritische und übersetzungstheoretische Werke zurechtgelegt, mit denen ich diesen Tag begehen wollte. Je älter ich werde, umso mehr bastele ich mir meine Rituale. Aber manchmal, nicht selten eigentlich, kommt mir ein Text dazwischen, der meine Pläne durchkreuzt, sie umwirft, sich aufgrund seiner wie auch immer gearteten Aktualität oder Radikalität vor die anderen Texte setzt und sofort gelesen werden will. Und so auch heute:

Vor einiger Zeit las ich die Ankündigung eines Buches, das im Verbrecher Verlag erscheint und „Dürrenmatt And Me“ heißt. Im Untertitel: „Eine Passage von Burma nach Bern2. Mein Interesse war sofort geweckt, da ich insgeheim so eine Art Dürrenmatt-Fan bin und in der DDR alles gelesen hatte, was ich von diesem Schweizer Autor erhalten konnte. Natürlich die Stücke, darunter eben auch den Besuch der alten Dame, aber neben den Kriminalromanen auch die Erzählungen wie „Winterkrieg in Tibet“, die mich in ihrer Absurdität und klaustrophobischen Stimmung besonders ansprachen.

Und ganz sicher liest man Dürrenmatt unter den Bedingungen politischen Eingeschlossenseins auf eine besondere Weise intensiv.

Wendy Law-Yone wurde 1947 in Mandelay in Burma geboren. Mandelay ist für mich als ehemals fast manischen Brechtleser auch so ein sprechender Ortsname. „Mutters Goddams Puff in Mandalay“ …  beginnt eine seiner Balladen, die nicht viel über die Burmesische Stadt, aber umso mehr über das die Gewalt Romantisierende der Europäer erzählt.

Law-Yone jedenfalls wird im echten Mandalay geboren, wächst in Rangun auf, und ihre Pubertät fällt in die Zeit einer Militärdiktatur. Was in Burma/Myanmar keine außergewöhn-liche Sache ist, da sich dort die Diktaturen immer wieder vor die Demokratisierungsprozesse werfen. Auch aktuell hat das Militär die Macht dort übernommen. Jedenfalls setzt der Text damit ein, dass der Vater der Autorin, ein Journalist, vom Militär abgeholt wird und die Familie ein Jahr lang keine Information bekommt, was mit ihm geschehen ist. Und auch nach diesem Jahr bleibt er inhaftiert.

Law-Yone beginnt, weil ihr als Tochter eines politisch Inhaftierten die Bildungswege an Universitäten versperrt sind, am Goethe-Institut Deutsch zu lernen. Bald muss das Institut das Land verlassen, und während sie einpacken hilft, findet Law-Yone eine englische Ausgabe von Dürrenmatts Stück „Besuch der alten Dame.“

Es wird im Buch von Flucht berichtet, vom Verhören durch den Burmesischen Geheimdienst und von der Sprache, der fremden Sprache, die letztlich eine Art inneren Rettungsanker bereitstellt. Zum Beispiel gelingt es der Autorin, auf Deutsch ein Gedicht zu schreiben, ein Spiegeln der eigenen Situation im Fremden.

In dem Buch finden sich die deutsch und englisch dokumentierten Texte ihrer Antrittsvorlesung der Friedrich Dürrenmatt-Gastprofessur für Weltliteratur 2015. Aus dem Englischen übersetzt wurden sie von Johanna von Koppenfels. Im Nachwort zeichnet Marijke Denger ein beeindruckendes Bild der Autorin und ihres Werdegangs. Es endet mit folgendem Satz:

„Es macht die Anziehungskraft ihrer Romane aus, dass in ihnen auch aus Veränderungen, die nichts Gutes verheißen, Hoffnung entsteht.“


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