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Tom Schulz: Die Verlegung der Stolpersteine

Gedichte > Gedichte der Woche



Die Verlegung der Stolpersteine



Hier war das Reich, groß
und golden

An dieser Stelle floss Blut, das Säuische
schwamm oben, Schloss Gripsholm
brannte nicht, in meinem Dörfchen
wo Großvater den Karnickeldraht

band, während wir uns völkisch
beobachteten, einander mutig
ins Auge fassten, waren es Gaue mit Blumen
Kästen voll Geranien

Mit dem Kreuz, dem Schwert
mit der Rune im Bett
konnten wir die Blutgruppe bestimmen

das Volk und das Land
der Bund und das Mädchen
der gewickelte Hans mit schiefen
Zähnen - der Bolzen, der Schuss
und der Hänfling

Hier floss das Blut nur so
im Sprachgebrauch der Demagogen
du warst Quacks und salbtest
die ausgetretene Hülse am Kopf

Heinz war Gustav, Ernst war Herbert
Leni war Eva und Inge –
Ich lag auf der Chaiselongue und hörte
die Mondschein-Sonate

Wilhelm Backhaus, der sagte
alle sieben Jahre wirft der Mensch
seine Haut ab
ändert die Farbe des Bluts

Aber jetzt
an dieser Stelle wächst ein Stein
aus dem Boden, ein Stein
der weiß, der spricht


© Tom Schulz: unveröffentlicht, 2016.

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