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Sigune Schnabel: Drei Gedichte

Montags=Text
Sigune Schnabel

Drei Gedichte



Zwanzig Quadratmeter Leben

Grauer Beton,
Häuserzüge, ein Zimmer, quadratisch
mit Küche und Bad.

Wir sind unser eigener Balkon.
Mit Ausblick in eine vertraute Welt
ranken wir uns am Geländer empor
ohne gemeinsamen Fluchtpunkt.

Die Risse der Stadt
ziehen sich bis in unsere Haut,
vorbei an Fingerkuppen
über Krümmungen und welkes Haar.

Manchmal fliegen wir
in Fotoalben zu uns.



Hinter den Feldern

enden die Spuren dieser Tage
an wogendem Gras.
Wir haben vergessen,
uns hineinzuschreiben
in das Holz der Tannen.
Nur ein Fremder
steht noch in der Rinde,
wächst Jahr um Jahr.

Wir legen Fallen aus
für Nachbars Worte,
prüfen im Dämmerlicht den Fang.
Dein Gedächtnis geht Streife,
stolpert im Morgengrauen
über Klatschmohn und Korn.



Kein Blatt

Wenn Mauersegler
den Himmel zerschneiden,
öffnet sich ein Spalt Nichts über mir.
Asphaltgrau liegen Tage
unter den Füßen,
und Bäume
werfen Hoffnung auf Straßen.

Mit dem Strohbesen
kehren die Alten
das Rot aus dem Leben.
Kein Blatt bleibt
vor Haus und Mund.



Aus: Spuren vergessener Zweige, Geest-Verlag, Vechta 2019

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