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Roberto Calasso: Der Traum Baudelaires - Kamtschatka

Diskurs/Kommentare > Diskurse > Lyrikkritik

Roberto Calasso

Aus Kamtschatka
(In: Der Traum Baudelaires)



Entschieden, ohne viel Worte zu machen, beschloß Sainte-Beuve, nicht über Baudelaire zu sprechen - und auch nicht über Poe, sein unheimliches Alter ego, wenngleich sein Herausgeber hier ein Thema gesehen hatte, das seiner würdig gewesen wäre. Bei einem Kritiker, der als Richter auftritt - und ein solcher war Sainte-Beuve mehr als jeder andere nach ihm -, ist die Entscheidung, nicht über einen Zeitgenossen zu schreiben, der bedeutsamste und effektivste politische Schachzug. Doch manchmal muß er ihn zurücknehmen. Auf Umwegen konnte der Kritiker sich plötzlich genötigt sehen, sein Schweigen zu brechen und in wenigen, dem Anlaß geschuldeten Zeilen all das zu komprimieren, was er nicht ausführlich hatte darlegen wollen.
    Mit der Geschicklichkeit eines Affen hatte Sainte-Beuve es immer wieder vermieden, einen Artikel über Baudelaire zu schreiben. Als er sich endlich dazu entschloß, holte er so weit aus, daß zunächst niemand auf den Gedanken kommen konnte, es ginge um Baudelaire.


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