Olga Martynova: Vu nemt men a bisele glik
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Foto: Villa Massimo, Alberto Novelli
Olga Martynova
VU NEMT MEN A BISELE GLIK
Das Gedicht transzendierte die Wirklichkeit nicht mehr. Da stand es und war nur noch sachliche Aussage: so und so, und der Kapo brüllt „links", und die Suppe war dünn, und im Winde klirren die Fahnen.
Jean Améry
… подойдет голубь, скажет – гёльдерлин …(… tritt die Taube hinzu, gurrt – Hölderlin …)Oleg Jurjew (übers. v. Steffen Popp)Vu nemt men a bisele mazl,Vu nemt men a bisele glik.Jiddisches Lied
Weh mir, wo nehm‘ ich
die Suppe,
im Winde die Fahnen dünn,
wehs mir
so oder so,
und der Kapo
im Schatten der Erde.
Die im Winde klirrenden „links".
Und der Kapo trunken von Küssen:
Vu nemt men a bisele mazl.
Dünn waren die Fahnen.
Wehs mir, vu nehm‘ ich,
wenns Winter ist,
Rosen a bisele,
mazl a bisele,
Schatten, a bisele
Erde, a bisele glik.
Wehs mir, vu nemt men
gelbe Birnen
und wilde Suppe,
a bisele Wasser,
und der Schatten brüllt,
wo nehm‘ ich a bisele
mazl, wenns Winter und Blumen,
und Sonnenschein, wehs mir,
die Mauern stehn
im Schatten der Erde.
A bisele Erde
im Schatten des Gliks.
In Olga Martynova: Such nach dem Namen des Windes. Gedichte. Frankfurt a. M. (S. Fischer) 2024. 128 Seiten. 25,00 Euro.