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Mati Shemoelof: Fünf Gedichte

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Mati Shemoelof

Fünf Gedichte
Übersetzung: Jan Kühne


Deine Seele forderte ich

In jener Nacht schloss ich einen Pakt mit dem Teufel
und forderte Deine Seele
die Sterne zitterten vor Furcht
als der Himmel gegen die Dunkelheit kämpfte
um sie zu berühren forderte ich Deine Seele

Wir lagen im Licht des zerbrochenen Himmels
berstende Sterne, zerplatzende Bäume
detonierende Trottoire
doch bist Du kein Engel,
keine Engelin Du



Mitteinundzwanzigstesjahrhundertballade

[Dank an Serge Ginsburg und Dani Blair, Shved Jones Großmann für die Inspiration]

Ich betrachte ihren weißen Körper, dann den daneben
sie schrumpft vor dem seinen, singt sanft im Geist ein Lied ihrer Fantasie.
Ja, Botticellis Gemälde steht in meinem Badezimmer
dem orangenen voll schwarzer Schimmelflecken.

Ihre Farben, die sich nicht ablösen ließen
von ihrem Körper, dort explodiert das Licht,
nur ihre Kleider, die liegen in Falten dicht,
nass auf des alten Fußbodens Fliesen.

Von fern beschau ich sie und ihn verliebt
wie ein Erwachsener sieht die eigene Kindheit,
mein Kopf wird eine Art Kamera, die – fotografiert,
die es nicht an keinem Ort zu kaufen gibt,
trotz der tollen Technologie unsrer Zeit.

Das Badezimmer taucht das Bild
in feuchtes Orange, wo jener sich versteckt
verschimmelt, vor heiligen Wassern verspielt.
Um sie herum, auf den Wänden angeeckt,
tanzen Engel und kleine Feen wild.

Nach dem Spülen
ist sie beim Fönen,
er findet Worte, nette,
für ihre Silhouette.

Ihrer Haare Duft wirft mich raus aus des Betrachters Pose,
jener schaut sofort, woher das Geräusch des Fallens dort,
dann erscheinen aus dem Versteck vor meinen Augen
seine Ziegenbockbeine furchtbar stinkend aus der Hose.

So sanft sind ihres Handtuchs Bewegungen,
das ganze Bad schwillt an um sie zu lieben,
ohne eindringlich zu werden, nur fliehende Berührungen
gemeinsam ein unangenehmes Geborgenheitsgefühl erzeugend,
ihrem weißen Körper und den beäugend, der daneben,
hart werd ich und voll von ihrem Leben.
Und dies ist der Engel des Todes,
der mit mir um ihre Liebe ringt,
den mit nichts ich kann besiegen,
als zu ihren Füßen zu sterben
zu warten und zu werben

auf dass sie zu mir kommt
und mich umschlingt.



Danny, sieh doch, dort fällt eine Feige vom Himmel

Er sagt, in Israel sei das Leben ein Fluch,
doch säte er hier seinen Samen und Familie gebar ihm das Land dafür.
Er verzweifelt, zurückgezogen im dunklen Zimmer hilft ihm seine Frau.
Nach einer Stunde sind sie blau.

Vorm Haus arbeiten ein paar Sklaven ohne Absicherung auf dem Bau.
Sie kamen aus Ohngeldwahnhausen, wo sie auf ihren Nacken
rostige Eisenketten züchteten. Die Arbeit in der Sonne gräbt
tiefe Furchen in ihre Stirn. Ihr Boss ruft: He da!, He dort!,
macht schneller mit der lahmen Arbeit, doch sie sind versunken
in Gedanken über wie es wäre, wenn…

Daneben starrt ein Aufseher mit Minimalgehalt vor sich hin,
passt auf, hält
einen orangenen Ordner unter dem Arm
versucht mit eindruckslosen Liedern
eine Flamme zu löschen, irgendeine…

In einigen Untergeschossen über ihnen – kaum zu glauben, dass da jemand lebt:
ein Manager mit der Mitteilung, die Börse in Hongkong
lasse wieder mal keine Hoffnung, und er,
der zur Konsumfreudigkeit rät, denkt, es sei zu spät ´,
in seinem Alter noch Sport zu treiben, zu ringen
mit der Wirklichkeit des Arbeitsalltags.

Dann geht er an die Fensterfront, dahinter
wird die Stille vielleicht zersplittern…

In der Büroabteilung daneben arbeitet eine Reinigungsfachkraft,
von der alle im Büro denken, sie sei
ein bißchen mehr als nur gestört. Von Schmutz keine Spur.
Doch er hat Beine, er geht ihr hinterher.

Sie arbeitet in frischen Kleidern, gewaschen in einer Maschine, die  
es nicht mehr gibt und Waschbecken singen für sie… geduldig harren
die Aschenbecher ihrer befreienden Hand Berührung, warten gern
Kloschüsseln auf ihren Dienst. Vor dem Toilettenfenster fliegt ein Vogel
mit seinen Genossen vorbei in die Ferne.
Gleich wird sie den Spiegel sehen, an dem die Erbauer sparten,
jener trüb billige, ganz und gar nicht glasklare Spiegel.

Dann fällt sie hin
so

klar, dass ihr Siechen keiner sehen wird…




Beim Geschäftsessen nimmt das Unheil seinen Lauf

und kommt zurück in der Entfremdung
prüft, wer ich sei,
warum
ich tu, was ich tu
zu schreiben gedenke, dies und das
immer wieder jenen Gedanken verfalle
mit jenem feinfühlig zuhörenden Wort
wissend
dass wir weder schreiben noch geschrieben werden,
solang
die Lettern nicht zurückkehren
aus den Flüchtlingslagern
ins Gedicht.



Du hast mir den Auftritt nicht bezahlt

Das Minus fiel wieder einmal in den Abgrund des Gedichts
und ich kam zum Einkommen, der Geliebten,
die nun der Protestbewegung Enttäuschung.

Man hatte mir versprochen, du und ich würden eins bei jedem Gebet
des Wäschetrockners, das auf jede schlechte Wäsche folgt.

Niemand sagte, das Ende würde verschwinden und wir am Anfang steckenbleiben
wieder half uns niemand auf beim Sturz auf halben Wege in der Liturgie
jenseits der Verzeihung.

In der Flut verwaschener Worte
versteckten wir die Weichspülerlösung für die uns Kopfzerbrechen bereitende Erde
Du hast Dich mit dem Buchstaben S für Schmutz bedeckt
ich schloss den Abflussdeckel über der verschütteten Sprache.



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