Markus Bundi: Ankunft der Seifenblasen
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Timo Brandt
Die Trostspuren, in denen hoch die Ungewissheit steht
„Hohes Gedicht, versehrte Verschworenejede Zeile sehnt sich, sucht das Verborgenezielt auf Achilles‘ Ferse, plädiert auf Verkenn-mein nicht – urteilen Sie nicht zu streng!“
Markus Bundi kannte ich bisher vor allem als Herausgeber der REIHE, einer tollen Buchedition für neue Lyrik und Kurzprosa im Wolfbach Verlag, von der ich bereits einige Titel gelesen (und einige auch besprochen) habe.
Mit „Ankunft der Seifenblasen“ ist nun ein Gedichtband von ihm
im Waldgut Verlag erschienen. Der Band ist in vier Kapitel unterteilt, zwei
davon enthalten eher kurze, fast schon prägnante Gedichte, die zwei anderen
längere Zyklen. Den Anfang macht das Kapitel „Karussell“.
„Im Kopf ein Karussell[…]Was mich beschäftigtist noch immer nichtzugestiegen.“
Ich bin ein großer Bewunderer von wirksamer Einfachheit, von
schlichtwirkenden Aussagen und Formulierungen, die dennoch größere Dimensionen
erschließen. Deswegen hat mich das erste Kapitel des Bandes schnell für sich
eingenommen. Mit der Fülle von gelungenen, nachhaltigen Sinnbildern und ebenso
mit einer Art von gezinkter Albernheit, die komische und kindliche Elemente
auffährt, diese aber mit Sehnsüchten und Überlegungen auflädt, sodass sie mit
einem Mal weit über sich hinausweisen.
Die Kürze gibt den Texten etwas Unausweichliches und
gleichsam etwas Offenes. Sie bilden einen Kern, an dem man mit verschiedenen
Überlegungen anschließen kann. Manches Gedicht wagt sich allerdings ein
bisschen zu sehr ins Offene, trägt schon Züge des Banalen, der Binsenweisheit.
Doch die Mehrzahl räumt mit schöner Knappheit Inspirationsflächen frei.
„Du zuckst verräterisch, möchtest den Notstand ausrufenhütest die Reserven, willst einen kühlen Kopf bewahrenjedes Signal könnte das letzte sein, irrst vorbei an SchuhenKleidern … auch in der Buchhandlung wäre nichts zu holenstattdessen einen letzten Kebab einverleiben?“
Das zweite Kapitel enthält den Zyklus „Marionettentheater“.
Hier findet eine Art Kampf zwischen Überdruss und Bewältigung statt; technische
Vokabeln schlagen immer wieder wie Kugeln ein, pfeifen als Querschläger
verheerende Unsicherheiten vor sich hin. Die Bewegungsabläufe im Gedicht wirken
fahrig und gehetzt, wie einzelne Ruckbewegungen der Puppen.
Obwohl mit Existenzialismus aufgeladen, überzeugt mich
dieser Zyklus weniger als die kürzeren Texte. Neben deren Schlichtheit wirkt
das Raffende und Voranpreschende dieser Gedichte irgendwie haltlos, kopflos,
als würde der Autor versuchen, die simple Kunstfertigkeit des ersten Kapitels
hinter sich zu lassen.
„Unbefangen undungeschminktsollt ihr kommenauf dass wireinander begegnenleicht bekleidetein jeder in seinemNervenkostüm.“„Traust keinem Lächelnund hebst doch wiederden Kopf: als hättest dugelernt, ohne festen Grundden Tag zu bestehen.“
Im dritten Teil kehrt Bundi dann wieder zum kürzeren Stil zurück,
öffnet diesen noch weiter. Bei manchen Texten führt das dazu, dass sie geradezu
nach Leser*innen zu rufen scheinen, die ihre recht fragile Hülle mit ihren
eigenen Empfindungen besetzen, um sie so vor dem Einstürzen zu bewahren.
Es gibt immer noch viel, das mir gefällt und ich bewundere,
dass Bundi die Grenzen der Schlichtheit austestet, diese Art von Offenheit
wagt. Er dürfte sich der Gefahr bewusst gewesen sein, dass mancher Text banal wirken
könnte. Dass diese Texte trotzdem im Band sind, halte ich nicht für Eitelkeit,
sondern für einen ehrlichen Versuch. Und auf manches, zunächst etwas simpel
wirkende Gedicht, lässt man sich dann, dank Bundis Beharrlichkeit, doch noch
ein.
„macht aber nichts, aller Wahrscheinlichkeit nachgeht es nicht um mich, ich bin der willkürlicheTräger von etwas, eines Etwas, daran scheinbarkein Gedanke vorbeiführt. – Was aber soll’s.Werde mich halt weiter fragen, wie mit einemGeschenk umzugehen ist, dessen Inhalt ein Rätselbleibt und von dem ich den Geber nicht kenne.“
Das letzte Kapitel fasst den Zyklus „Zuckerwatte und
Lebkuchenherz“. Hier habe ich ähnliche Vorbehalte wie bei „Marionettentheater“,
allerdings rotieren die Gedichte dieses Zyklus nicht ganz so heftig, und es
gibt mehr gelungene Verdichtungen. Im Ganzen ist der Zyklus eine Art
Erforschung innerer Daseinsbedingungen, geformt wie ein Fragezeichen.
„Der Bub in mirfragt bis heutewas wir tun könnendamit die Vulkaniervor den Klingonenbei uns landen.“
Ich mag, wie dieser Band aus dem Unscheinbaren heraus
Kraftvolles, Wichtiges, Schönes zu schöpfen versteht. Hier und da mag seine
Schlichtheit ihm zum Verhängnis werden – aber genauso oft wird sie den Lesenden
zum Verhängnis.
Als Kind ist man fasziniert von Seifenblasen und trauert
ihnen hinterher, wenn sie platzen. Der Zauber schwindet, erklärt sich, man
begreift die Trauer als irrational. Aber eigentlich war das beides doch
wertvoll, der Zauber und die Trauer, oder nicht? Vielleicht lehne ich mich da
etwas zu weit aus dem Rezensenten-Fenster, aber: ich glaube nach solch
wichtigen, verschütteten Gefühlen tastet auch das ein oder andere von Markus
Bundis Gedichten.
„Könnte ich des Echosteilhaftig werdendas gar kein Echo ist.Ich bilde mir aber einim anhaltenden Rauschenein Raunen zu hören.“
Markus Bundi: Ankunft der Seifenblasen. Gedichte. Frauenfeld
(waldgut lektur) 2018. 72 Seiten. 22,00 Euro.