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Luis Varela: Zwei Texte

Montags=Text
Luis Varela

Zwei Texte
übersetzt von Svenja Blum


In Richtung Hügel

Vor Sonnenaufgang
bringen sie die erste Kuh zum Schlachten.

Bist du in der Nähe, dort bei Campo Alegre,
hörst du den Wasserstrahl auf dem Genick der Kuh,
ein feiner Strahl, der die Nerven beruhigt
vor dem Schlag
                             und dem Zusammenbruch.

Wer erkennt ihn nicht?
                            Wer hat ihn nicht schon gehört?

Die restlichen Kühe gehen in der Reihe,
in Richtung Hügel, den wir alle
erreichen müssen,
sie beginnen ein leises Gebet,
während der Nebel sie segnet
und den Rücken liebkost.

Dieser unmerkliche Chorgesang, absurd, grauenhaft,
                 verdichtet das Leben an seinem Ende
                             und die Knospe des ersten Lichts.



Dass seine Hände glänzen

Mutter rief an und erzählte mir,
sie war auf einer Feier eingenickt.
Eine Stimme sagte ihr,
dass etwas meinen Großvater bedrückte,
nicht aber,
wo er sich befand.
Diesen Sonntag werden sie eine Messe für ihn halten.
 
Mittwochs lud uns Großvater
zum Fisch essen
mit den Händen ein.
Langsam, still, entfernten
wir die Gräten, legten sie auf einem großen Teller ab,
als würden wir sie sammeln,
mit Vorsicht,
der Schmerz.
 
Heute sage ich dir, Mutter,
wo auch immer Großvater ist,
hoffe ich, dass seine Hände glänzen,
als hätte er Fisch gegessen.



Luis Varela ist ein kolumbianischer Dichter, der in Hamburg wohnt. Kürzlich übersetzte die Organisation Found in Translation einige Gedichte aus seinem Buch Tomates (Entre Ríos, 2022) für die Veranstaltung Hafenlesung 25 (http://hafenlesung.com/events/#new_event).
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