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Katharina Körting: Endlich die Lösung? Total Null mit "ZeroCovid"

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Katharina Körting

Endlich die Lösung? Total Null mit „ZeroCovid“

Laut tönt die ZeroCovid-Trommel durchs Land, angefeuert von der Sorge wegen Monstervirusmutationen. Immer lauter werden die Rufe nach einem totalen Shutdown. Die Rufenden wollen auch die Wirtschaft zur totalen „Solidarität“ verpflichten.
Und was „Solidarität“ bedeutet, bestimmen nicht die Verantwortlichen im produzierenden Gewerbe oder gar das „Volk“, sondern eine bunt zusammengewürfelte Minderheit.  Dass eine ZeroCovid-Strategie schon deshalb nicht funktionieren kann, weil z. B. Lebensmittel nicht nur angepflanzt und hergestellt, sondern auch verkauft werden müssen, von verstopften Toiletten, die – nicht zuletzt im Sinne des Infektionsschutzes – zu reparieren sind, ganz zu schweigen. Solche lästigen Nebenwidersprüche interessieren jene Shutdownisten jedoch nicht, der Hammer muss her. Es sollen keine bösen Autos mehr produziert werden, während andere gesellschaftliche Bereiche darben. Es sollen endlich alle leiden, damit unser Land wieder gesund wird! Also: total gesund! ZeroCovid! Und um dieses totale Leiden zu finanzieren, sollen die Reichen ihren solidarischen Beitrag leisten, sollen „einige wenige Vermögende“ endlich ihr unsolidarisch erworbenes Geld abgeben. Den Corona-Soli sozusagen als postmodernen Subbotnik.
    Dass die Zahl der Menschen, die coronabedingt in Krankenhäusern liegen, sinkt, ist eine so leise verbreitete Information, dass man sie im Shutdown-Lärm ebenso überhört wie die Stimme derjenigen Wissenschaftler, die ZeroCovid für Unsinn halten. Klingt ja auch so schön: Null Infektionen. So wie „Glück für alle“, „Null Alkoholismus“ oder „Alle für einen – einer für alle“, aber dahinter steckt ein Denken, das an totalitäre Versuchungen denken lässt, garniert mit Kontrollwahn und Wirtschaftsfeindlichkeit, die letztlich nicht nur wirklichkeitsfremd, sondern auch menschenfeindlich sind. Allen Ernstes wird da die „Beendigung“ der Pandemie gefordert, als hätten Menschen, wenn sie nur auf der richtigen Seite stehen, alles in der Hand, was unter Gottes Sohne an Infektionen so passiert: „Das Ziel darf nicht in 200, 50 oder 25 Neuinfektionen bestehen – es muss Null sein.“
    Doch die Maßnahmen, die für ZeroCovid erforderlich wären, wären totalitäre. ZeroCovid wäre nur zu erreichen mit einem totalen Staat, samt totalem Gesundheitsschutz und totalem Kontaktverbot, beliebig auf- und zuschraubbar wäre das die Büchse der Pandora: Infektionen in Sicht? Shutdown! Das Gute wollen – alle Menschen zum (richtigen! gesunden! nicht kapitalistischen!) Leben erretten, und sei es unter Zwang – und das Böse tun – alle Menschen samt ihren Gesinnungen knechten – klingt irritierend vertraut. Was soll denn geschehen mit Quarantäne-Verweigerern, „Impfgegnern“ oder schlicht denjenigen, die die Regeln hier oder da nicht beachten (und wer hier ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!)? Maschinengewehre vor Firmen-Toren, die die Angestellten und Arbeiter und ihre Manager am Streikbrechen, äh, Coronaregelbrechen hindern? Oder ab ins Lager? Selbst das wäre ja nicht pandemie-eindämmungsgerecht organisierbar. Zu lesen ist dazu im labberig-bürokratischen Passiv wenig: „Die niedrigen Fallzahlen müssen mit einer Kontrollstrategie stabil gehalten und lokale Ausbrüche sofort energisch eingedämmt werden.“ Welche „Kontrollstrategie“ ist hier konkret gemeint? Welcher Mittel außer der bereits legal vorhandenen dürfte man sich im Namen des heiligen ZeroCovid-Zwecks bedienen?
    Bis jetzt hat sich die für ZeroCovid erforderliche totale Kontrolle und totale Umverteilung in den demokratisch organisierten Ländern noch nicht durchgesetzt – zum Glück! Den Infektionsschutz quasi zu benutzen, um endlich den Reichen ans Leder zu gehen, erscheint auch fragwürdig – und analytisch unsauber angesichts der Verflochtenheit von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Welt ist leider nicht so simpel gewachsen wie der Wald von Robin Hood. Oder glaubt jemand ernsthaft, man müsse nur „Lockdown für alle“* verhängen und den Vermögenden ein paar Milliärdchen wegnehmen, um alles ins Anti-Corona-Lot zu rücken und die Pandemie zu „beenden“?

Dass Covid 19, wie andere Corona-Viren auch, schwerlich auszurotten ist, scheint die ZeroCovid-Strategen nicht zu interessieren, geht es ihnen doch nicht um Details, sondern um die ganz große Sache: SOLIDARITÄT. Dabei liegt vielleicht eine viel größere Gefahr als durch das Virus darin, genau diese „Solidarität“ zu missbrauchen und das Anliegen des Infektionsschutzes zu vermengen mit dem Anliegen einer gerechten Organisation der Wirtschaft. Womöglich droht, wenn man die angedrohte ZeroCovid-Konsequenz mit „Solidaritäts“-Forderungen koppelt, gleich ein doppelter Totalitarismus: gesellschaftlich im Rahmen einer totalen Gesundheits“fürsorge“, die keine individuellen Lebensrisikoentscheidungen mehr erlaubt – und der wirtschaftliche.
    Totalitarismus jeder Couleur hat sich immer gern der „Solidarität“ bzw. des Vorwurfs fehlender Solidarität zur Unterwerfung Andersmeinender bedient. Dabei hat es ZERO mit fehlender Solidarität zu tun, wenn man ZeroCovid-Forderungen zweifelhaft findet: Auch in Zeiten der Pandemie existieren verschiedene Meinungen und Lösungsansätze. Es gibt auch im Ringen um geeignete, angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen zum Infektionsschutz kein Schwarz-Weiß. Auch weiterhin gibt es nur die im Grau dazwischen: Menschen, die ihre Kontakte möglichst einschränken müssen und keiner nur scheinbar unfehlbaren „Kontrollstrategie“ auf den Leim gehen dürfen.


* https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/lockdown-fuer-alle

Mehr lesen: http://www.kid-verlag.de/bellet.html#Kontakttagebuch


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