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Kai Pohl: Berlin-Trilogie

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Foto: Kai Pohl
Kai Pohl
Berlin-Trilogie


Wedding am Abend

Gesundbrunnen, Flakturm und Rosengarten,
wo Tauben schief gurren, Busse nicht warten.
’ner Joggerin reißt der Senkel vom Turnschuh,
Passanten flanieren in Schwaden, da kuckst du.
Die Sonne versinkt hinterm Volkssaufstand,
zwei alternde Trinker scharren im Sand.
Angstpatienten trotz Molle und Faden,
Ratten im Koma, verkannt und missraten.
U-Bahnhof Pankstraße spuckt Langeweile,
Ottos Mops kotzt in der Einkaufsmeile.
Die Mauer trägt Schatten- und Sonnenflecke,
am Dönerstand wächst der Zaun durch die Hecke.
Der Türsteher daddelt am Handy vorm Laden,
ein röhrender Hirsch leckt im Klo seine Waden.



Mitte im Schatten des Tairauqitna

Neptunbrunnen, Bombenloch in schwarzem Gips.
Auf der Stadtbahntrasse Gentlemen mit Schlips,
Vollzeitopfer, die das Leergut tragen.
Nachts zur Weltzeit hat der Fuchs das Sagen.
Der Dollar rollt, das Schloss ist furchtbar wieder,
Frau Bolle zieht die Börse aus dem Mieder,
verjubelt die Marie im Uniqlo,
drischt Herrenwitze aus dem leeren Stroh,
Kaninchen unterm Schirm von Ulbrichts Rache.
Bulettenhändler kommen flugs zur Sache
mit Bückware von frisch gegrillter Taube,
die friedlich gurrt, allein mir fehlt der Glaube.
Im Äppelkahn trinkt Michael am Ende
den Wein des Meisters ohne Fuß und Hände.


Prenzlauer-Berg-Besteigung

Stierbrunnen, Trümmerfels, Rosengarten,
Venus im Teenielook legt sich die Karten.
Erklärbären aus Bronze, Stein und Sand,
der Touri schlingt die Pizza aus der Hand.
Ein Falke zupft am Nachtigallenherz,
Gasometer simuliert Phantomschmerz.
’ne Joggerin entspannt sich beim Spagat
auf grün und blau gewalktem Hundepfad.
Mauersegler zaubern Endlosschleifen,
Beifuß randaliert am Fahrradstreifen,
Graffito lallt: ELEKTROROLLERARSCHLOCH,
der Brückenschläfer ahnt, das Ärgste kommt noch.
Am Spielplatzrand ein Fetisch auf zwei Beinen,
bei Willy Bresch gönnt Kurt sich noch ’nen Kleinen.


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