Irena Habalik: Die Nachbarn
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Irena Habalik
Die Nachbarn
Sie gingen
leise, die Hände leer und leicht der Atem. Sie nickten freundlich, als ob sie
grüßten, gingen schnell, schauten schnell in die
Augen, manchmal lächelte einer als ob er zu diesem Haus gehörte, seit langem,
und einer drehte sich um als ob er Angst hätte an den Schritten erkannt und von
hinten gepackt zu werden. Niemals schaute einer aus dem Fenster, niemals schlug
die Tür laut zu, zu zweit, zu dritt gingen sie nicht, die Haare beschmierten
sie mit etwas Glänzendem, sie waren junge Männer, Frauen besuchten sie
nie. Sie beteten fünf Mal am Tag, wenn sie konnten, kochten viel, liebten den
Geruch ihrer Speisen, es roch stark und einer vom Haus schrie: so ein
Scheiß-Geruch.
Einmal bei der
Mülltonne: ich liebe Deutsch, können Sie helfen? Ich kam hinauf und sah: keine
Tische, Stühle nur Betten, Matratzen und darauf breite, bunte, wohlig warme
Decken. Wir lagen auf einer grünen Decke und paukten die schwachen Verben:
Jetzt Deutsch dann vielleicht Elektriker, dann werde ich Ihre kaputten
Steckdosen in Ordnung bringen. Und einer war stets hinter den Mädchen und einer
hat drei Töchter drüben, wollte einen Buben, unbedingt, für das einmal geborene
männliche Kind lohnt es sich hier abzurackern.
Und einer
telefonierte pausenlos mit seiner Mutter, liebte Deutsch nicht und einer kochte
für die anderen, ein anderer putzte für alle, nur einer hatte Papiere, die
anderen hatten Angst und Hoffnung jeden Tag.
Und einen
erwischte man, die Uniformierten brachten ihn zum Flugzeug, schnell verletzte
er sich mit dem Messer, man sah das Blut, man wollte ihn nicht im Flugzeug, die
Uniformierten brachten ihn in die Stadt zurück, er war klein, dick, tanzte vor
Glück, ja ein wenig Glück im Unglück muss man haben. Ein anderer war klein und
dünn, klein, sodass die Welt seine großen Pläne nicht bemerkt hatte. Er wollte
noch wachsen, einmal groß werden, vielleicht ein Staatsmann in seinem
korrupten, kaputten Land, schon übte er sich im Reden, Gestikulieren, hat drei
Beschäftigungen, wollte schnell viel Geld und weg.
Wenn einer
plötzlich verschwand, ersetzte ihn im Nu ein anderer, ohne Namen. Nur einen
Namen merkte ich mir, Wajahat, er liebte Deutsch und das Land, weil er einmal
ein Handwerker sein darf, ein ewiger Pizzazusteller wollte er nicht sein. Er
hatte eine Verlobte, die Familie suchte sie ihm aus, ein gutes Mädchen, kocht
gut, putzt gut, ist still und die girls hier sind nichts, er zeigte perlenweiße
Zähne, lachte, ach was, hier werden die Träume wahr.