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Elisabeth Wandeler-Deck: Anlandebahnen für Geräusche, Ausschnitt

Gedichte > Gedichte der Woche
Foto: ©AyseYavas
Elisabeth Wandeler-Deck

Anlandebahnen für Geräusche, Ausschnitt¹

samtenes rauschen mit vielen einzelgeräuschen mit hall – heterogen²
es gibt Regeln. Kommaregeln. Regeln für Zeitformen, Bewegungsformen. Ich geh jetzt. Hin-
aus geh

ich. Eine

geht, ausser Haus, sie geht, aus, um zurückkommen zu können, sie liebt das, sie liebt die
Rückkehr, die Frau unter ihrem hohen Hut, so heisst sie in der Erzählung, die, die unter ihrem
hohen Hut geht, sie lacht, weint sie, manchmal, wie alle, wobei, wenn niemand

schaut, das gefällt, nicht, sie daran zu erinnern, seit wann sie, ohne Weinen, ohne mit etwas
dem Weinen ein Ende zu setzten, sein Enden weit zurückliege, als ein Krieg viel Weinen zer-
störte, dieser Elende, der Krieg. Was soll sie erzählen, so diese Menschenfigur. Es gibt, sie
sagt diesen Satz, gerne sagt sie ihn, und dann, sie geht. Sie ist gegangen, weg ist sie

wenn die Gasse die Richtung ändert, kann das leise Rauschen vom Fluss her,

ein Helikopter

in der Nähe der Helikopterlandeplatz

die Häufigkeit der Flüge ist hoch, Transportflüge, auch Menschenfigurentransporte. Waren, unterschiedlichste Waren, was unterscheidet die Waren, und wenn wovon,

möglicherweise. Wer da so ausfliegt, passend gekleidet, für den heutigen Ausflug. Heuschre-
ckensüchtig, möglicherweise, wer kann das wissen, den Duft nach Heu ersehnen, sie, viel-
leicht, die Saison ist vorbei, des Grasschnitts, ein Interludium, sonntags fliegen sie nicht, Nachmittagsstille,

die Gassen im Ort, die Gehgassen, die Fahrgassen, über die langen Reihen der Platten, die sie ergänzenden Streifen, die Kieselbänder, tragen sie ihre Namen, von Name zu Name ein Spa-ziergang, ein Umgang, guten Tag gesprochen in lokaler Sprache, ja, gern, gerne in lokaler Sprache, seit wann diese Namen, wenn sich die Gasse

tropfen mit zartem hellen hintergrundrauschen
eine einzelne Stimme, bleibt,

rauschen weich mit zarten impulsen (auch tropfen)
die Nebelbahnen, Nebelstreifen weggewischt, da, sie sind jetzt wieder da, der Regen erzeugt einen lärmigen Rauschteppich, der Nebel verbirgt die Berghänge, er steigt höher, sinkt herab,
das aus den Wolken herabstürzende Wasser hält die Hänge verborgen, endlich nur, einzelne Menschenstimmen, die Mauern halten, die Dächer, kein Schaden, sagt eine mit Namen Maria, hier ist der Name verbreitet, Chiara auch Marietta, die Jungen ruft man, höre ich vom Sitz auf
der Terrasse, höre die Gassen

im Ort,die Gehgassen, die Fahrgassen. Über die langen Reihen der Platten, die sie ergänzen-
den Streifen, die Kieselbänder, tragen sie ihre Namen, von Name zu Name ein Spaziergang,
ein Umgang, guten Tag gesprochen in lokaler Sprache, ja, gern, gerne in lokaler Sprache, seit wann diese Namen, wenn sich die Gassen

aus Weiten, anders, eine wird Laura genannt, ich konsumiere hier gern, es gibt Konjunkturen, Konjekturen, Konkurrenz, Kommentare, Über den Fensteröffnungen kein Kollabieren, selten
ein Kollaborieren von dicken, wenig behauenen Balken, präzis sich den Hang hochschwin-genden Wegen, wie anderswo, auch die alte Hauptstrasse, die Schnellstrasse kontrolliert die Schlafenszeit, den Stadtbus bis weit in die Täler, kaum je ein Kommando, manchmal Wün-
sche zum guten Tag, diese, gerne, erwidert, nicht nach langen Konsultationen, nein, spontan,
auch Tropfen, auf einmal ein Rauschen, zart vielleicht, hin und wieder

darauf, sagt eine, freue sie sich schon seit Wochen, zwei engumschlungene Kinder schälen
sich aus einer Membran, die Spielorte finden sie aufgereiht an den Hauptstrassen der Täler,
zarte Impulse weisen drauf hin, auch Gesang, trauriger Gesang, fröhliches Intonieren, sirrende Töne, von Ballonen übers Tal getragen. Zusammen im Zusammenklingen, entsteht eine schwebende Tonfolge, daraufhin ein

Konzert klingender Dinge, wie kann da eine einschlafen, sagt die Frau und greift nach dem
hohen Hut, den sie auf der Kommode abgelegt hat, sie mag ihn aufgesetzt haben, wann, wann
ein erstes Mal,

sie erinnert den Moment nicht, seit damals. Das Irgendwannfrüher in der Erzählung ein Da-
mals sein wird, in der Erzählung trägt sie den hohen Hut, dann, wenn sie ausgeht, den kleinen Zylinder, den Gauklerinnenhut, Bühnenhut. Die Frau mit dem hohen Hut geht aus, eine Re-gieanweisung vielleicht, die Frau geht aus, sie bewegt sich in der Diagonalen über die Weite
der Bühne, die irgendeinen Platz darstellen soll, sie bewegt sich über den Platz. Sie tut weite
und lange Schritte, dann einige kurze, steht kurz still, schaut sich um. Sie betritt die Terrasse, bestellt ein Getränk. Sie schaut, horcht, liest

eine schaut um sich, als ob sie etwas hörte

einmal täglich die Zeitung im Briefkasten

bis dann ein Helikopter


¹ Ausschnitt aus einem längeren Text, den ich parallel zur Fertigstellung von Plissee anstelle eines Tagebuchs entwickelt habe.
² Die kursiv gesetzten Zeilen sind aus Annette Schmucki, solo/mute/pan - 67 klänge - déscription – ausschnitt

21. 10. 2023


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