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Cornelia Hülmbauer: MAU OEH D

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Kristian Kühn

When the hurly burly's done, / when the battle is lost and won.


Double, double toil and trouble;
Fire burn, and caldron bubble.

Rüstig! Rüstig! Nimmer müde!
Feuer, brenne! Kessel, siede!
(Macbeth, Übersetzung Friedrich Schiller)    

Der Apfelbaum symbolisiert traditionsgemäß das, was übrigbleibt. Dermaleinst eine neue Generation vielleicht. Ein bisschen Hoffnung auf ein Weiterleben der Menschheit zumindest! Wenigstens der Natur. Und so heißt es bei Cornelia Hülmbauer in ihrer ersten Einzel-veröffentlichung (MAU OEH D bei SuKuLTuR) vom Vater:

der vater ist ein apfelbaum
der vater ist ein stumpf
der vater ließ die früchte fallen
vom vater bleibt nur mus

Und auch am Ende dieser düsteren Ballade von einem Leben zwischen den Geschlechtern heißt es über das Mädchen (das mensch), um dessen Sozialisation es geht:

das mädchen ist ein apfelbaum
das mädchen ist ein stamm
das mädchen trägt statt krone nester
ein vögelchen frisst einen wurm        
     
Formal ist die Moritat einer Familie in der Nähe einer Heil- und Pflegeanstalt, vielleicht der von Mauer oder Mauer-Öhling in Niederösterreich (der Titel deutet es an), ein langer fugenartiger Abzählreim, eine Auszählung: und du bist weg!

Das Setting besteht aus einer Absenz des Vater, einer angepassten Mutter, dem sich substituierenden Onkel, der spiegelgleichen Omama und der Hauptperson, dem heranwachsenden Mädchen, das nicht hineinpasst und von Anfang an „versteck spielt“, weil es dauernd zur Anpassung gezwungen wird.

ich in fetzen hingerissen
vögelchen wo schwärmst du hin
beim knopf annähen
verwende kreuzstich
beim kopf verlieren
nur den strick
         
Es „schneidet sich ins tischtuch“, „schreit wie aufgespießt“, soll gute Miene zum projektierten geschlechtskonformen Spiel machen. Es ist attraktiv, und deshalb schnell „verpuppt“, sobald die Jungs oder der Onkel (irgendein Onkel?) die Patschen aufstellen und hinfiebern.

Alles dreht sich um das mädchen
seinen spieß dreht man ihm um
alles dreht sich in dem mädchen
schwindelsucht kommt vor dem fall
       
Spätestens bei den ersten Tänzen wird dem Mädchen das Leben töricht. Man hält es für hysterisch. Und in der dritten und damit vorletzten Stufe des Geschehens will es sich absentieren:

das mädchen nimmt ein pulver
das mädchen schluckt ein tabs
das mädchen spült es runter
das mädchen hält den spalt
     
Wer hätte helfen können vor der drohenden Anstalt? Der Vater nicht, er ist nur zu Beginn noch da, zeugt das Mädchen, aber schon bei der Geburt zieht er „den gehrock an“. Und später ist er nur der obsolete Apfelbaum.

Die Mutter? Nein, leider nicht. Sie kämpft nicht um das Verständnis der Tochter, ganz in ihrer untertänigen Rolle, will sie es zu ihrem Abbild und zur Konformität erziehen:

die mutter sagt zum rocksaum zipferl
die mutter säugt schon lang nicht mehr
die mutter näht im zickzackstich
die mutter zieht am zünder
       
Nicht einmal Omama ist eine Hilfe, nicht einmal sie schenkt Liebe, sie hätte - wie einst im Mythos von den drei Generationen Frau die Hekate - mit ihrer ständigen Wachsamkeit das Mädchen (Koré) aus dem Hades befreien können. Aber was tut sie:

die omama sagt tu nicht gar so gscheit
die omama sagt glaubst du bist was besseres
die omama sagt jeder hat den seinen platz
die omama sagt bist halt nur ein blödes mensch
       
Eigentlich stattet sie das Mädchen für den Onkel und - mit ihm als Schwelle – für die Hochzeit aus. Der Onkel also als Brühwürfel in der Suppe. Der Topf fängt an zu sieden.

der onkel nimmt dich untern arm
der onkel will nur spielen
der onkel sperrt dich in den kasten
der onkel tut nichts tut er wohl
     
Er sucht dem Mädchen einen Mann. Zurrt die Fäden fest. Was das Mädchen in Aufruhr bringt. Mit ihm und der unausweichlich näher rückenden Anstalt kommt Magie ins Spiel.

steine fress ich
steine spei ich
& dich schlag ich windelweich
   
Was drinnen geschieht, bleibt verborgen. Aber man weiß, dass die Anstalt eine grauenhafte NS-Zeit hinter sich hat. Diese wird nur angedeutet, ist aber offensichtlich:

die anstalt raucht
die anstalt brennt
die anstaltstiere ficken
erst unterhalb der erde tut man gut
     
Das Ende bleibt dementsprechend unversöhnlich:

der fotze ein feuer
dem scheiden ein schwert

Ein Weiterleben nach der Kontamination mit der schwarzmagischen Anstalt ist unmöglich.   

das mädchen gibt gummi
das mädchen knallt gas
das mädchen heizt
das mädchen macht sich luft
     
Offenbar passiert auf der Flucht ein weiterer, ein finaler Unfall:

aus der seite dringt der saft
an der seite bin ich offen
meinen fäden häng ich nach
meine stricke sind gerissen
     
MAU OEHD D ist sehr lautmalerisch, darin liegt der sprachliche Reiz, die Faszination der Auszählreime. Ein Wechselspiel mit den Vokalen der Anstalt und der Umgebung bereitet den Eindruck hexenhafter Zwangsläufigkeit, hilfesuchender Anrufungen und Appelle, deshalb am Ende im Klappentext: „lache der der kann“.  Die kursiven Strophen beinhalten, was Rede, Zusprache, Zauberspruch ist, womit man das Mädchen bei der Stange halten will, trotz ihrer Wehrhaftigkeit, und nicht loslässt. Das Ende trägt dann den Untertitel MOE OE D D wie Mord, Mörder, müde. Dass das Mädchen die Nachfolge von Omama und Mutter antreten soll, diese düstere Rollenzuteilung hat nicht funktioniert. Darin, in diesem Raus aus der Finsternis mag ein bisschen Hoffnung liegen. Gemäß dem Motto: zum trotz, / zum trost“.

Cornelia Hülmbauer: MAU OEH D. Berlin (SuKuLTuR – Schöner Lesen 167) 2018. 24 S. 2,00 Euro.
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