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Bettine von Arnim: Ich fürchte mich vor dir

Poetik / Philosophie > Glossen


Bettine von Arnim


Aus:
Goethes Briefwechsel mit einem Kinde


Ach, was fragst Du nach der Kunst, ich kann Dir nichts Genügendes sagen? Frage nach der Liebe, die ist meine Kunst, in ihr soll ich darstellen, in ihr soll ich mich fassen und heiligen.

Ich fürchte mich vor Dir, ich fürchte mich vor dem Geist, den Du in mir aufstehen heißest, weil ich ihn nicht aussprechen kann. Du sagst in Deinem Brief, der ganze Mensch müsse aus sich heraustreten ans Licht; nie hat dies einfache untrügliche Gebot mir früher eingeleuchtet, jetzt aber, wo Deine Weisheit mich ans Licht fordert, was hab' ich da aufzuweisen, als nur Verschuldungen gegen diesen inneren Menschen; siehe da! Er war mißhandelt und unterdrückt. Ist aber dieses Hervortreten des innern Menschen ans Licht nicht die Kunst? – Dieser innere Mensch, der ans Licht begehrt, daß ihm Gottes Finger die Zunge löse, das Gehör entbinde, alle Sinne erwecke, daß er empfange und ausgebe! – Und ist hier die Liebe nicht allein Meisterin und wir ihre Schüler in jedem Werke, das wir durch ihre Inspiration vollbringen?

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