Andreas Hutt: Fünf parasitäre Gedichte
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Andreas Hutt
Fünf parasitäre Gedichte
Wir liefen durch die Fußgängerzone
wie durch einen Zoo.
Was wir sahen,
waren fest umgriffene Plastiktüten,
Menschen auf der Suche nach Heimathäfen,
abgetakelte Schritte,
Kunst
für keinen
auf dem leblosen Pflaster
heute.
Lächeln
nennen
kann
ich es nicht. Vielleicht
starre
Aufrichtigkeit um den Mund.
Du
schaust in den Tag hinein
wie
in ein leer geräumtes Zimmer, lässt die Hände
ins
Bodenlose fallen.
Was
immer wir uns mit den Augen
versprochen
haben, findet statt
in der Luft.
Man
brauche keine Möbel, meinst du,
man
brauche nur Vorstellungskraft und Willen.
Ich
nicke.
Die Definition von Wald bleibt
notwendigerweise vage, sagst du,
wie
alles, was unsere Schritte betrifft,
sei
es das Bedürfnis,
gezielt
nach Sonneninseln zu suchen,
sei
es moosgrüner Schlaf.
Schon
immer habest du Springkräuter
bewundert,
sagst du, - noli me tangere -
die
sich an den Boden verschenken,
wenn
man sie berührt. Ich sehe
dich
nachtschattenblau, klar
definiert,
tannengrün
mit
geschlossenem Mund.
Manchmal
bewege ich mich in einer Wohnung
wie
in einem Bild – langsam,
alles
vorübergehend betrachtend,
als
ob ich Farben abschreite.
Ich kannte mal einen Hund,
der hatte nur ein Bein.
Er
ging ähnliche Wege.
Wenn
Sonne ins Zimmer fällt: versehrte
Schatten,
meine
Nase nah am Rindengrau.
oder aufgeklebt: Du sagst, Kunst
komme
aus dem Möglichkeitsraum,
reißt
Papier von Plakaten und sammelst.
Wir
bewegen uns seit Stunden
im
Kreis: Trüffelschweine
für
Augenblicke, normallogisch
ist
nur die Sicht auf die Stadt.
Später
hast du ein Stück Pappe in der Hand,
fügst
deine Farben, gräbst aus,
leckst
dir die Lippen,
weil
du es kannst.
In Andreas Hutt: Schritt auf Schritt. Gedichte. Dortmund (edition offenes feld) 2021. 92 Seiten. 16,50 Euro.