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Alexandra Bernhardt: Et in Arcadia ego (2)

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Eugen Banauch

Zu Alexandra Bernhardt: Et in Acadia ego

Einem heutigen Leser mögen sich einige der Gedichte dieses bemerkenswerten Lyrikdebüts gleich, andere erst nach längerem Nachdenken, manche gar nicht erschließen. Das ist nicht wertend gemeint, weder in Hinblick auf die Gedichte noch auf den Leser, denn ein planes und unmittelbares Verständnis – im Sinne eines Verstandesbegriffs – dieser konzentrierten Gebilde, dieser auf- und niederschwebenden Chiffren, ist seitens der Verfasserin offenbar gar nicht intendiert, eher eine Gefangennahme durch bildhafte und musikalische Mittel, nicht zuletzt auch durch den Reiz des Geheimnisreichen, der schon vom Buchtitel ausgeht (und was wäre eine Lyrik ohne Geheimnis). ET IN ARCADIA EGO – ist es das lyrische Ich oder der Tod, der als Epitaph auf Barbieris (Il Guercinos) Gemälde desselben Titels und Poussins beiden thematisch verwandten Bildern arkadischer Hirten ebenso gegenwärtig gesetzt ist wie in Bernhardts Gedichten – oder ist gar beides gemeint? Da ihr die Diskussion darüber sicherlich bekannt ist, liegt die Vermutung nahe, daß sie mit der Möglichkeit dieser Doppeldeutigkeit „spielt“.

Der mittlere Teil des Bandes, der vierte von sieben, trägt als einziger einen Titel: „Mors stupebit / Sequentia quasi una sonatina“ (ein Zitat aus dem „Dies irae“, der Sequenz des Requiems). Das Ganze wirkt durchkomponiert, die Symmetrie der Siebenteiligkeit ist augenfällig. Der Eindruck verstärkt sich, nimmt man das erste und das letzte Gedicht des Bandes in den Blick. Das erste – „Gewitterstimmung / (Kontrafaktur)“ – spielt offensichtlich auf Goethes (2.) „Wanderers Nachtlied“ an, das letzte, mit dem beziehungsvollen Titel „Revert“, erscheint wie eine Stimmung nach einem Gewitter (zumal im vorletzten, „Pour mon Maître“, ein Regen niedergeht) – aus gebrochenem Asphalt hervorgetretenes „Wasser“ [ ... ], „das den Himmel spiegelt“ ist die allerletzte (transzendentale) Metapher.

Einzelne Verse sind so suggestiv, daß sie im Ohr des Lesers haften bleiben: „Und schlägt dein Herz des Todes Takt / Wie Käfer im Gebälk“ oder „Dort in den Senken wo Elfen spielen / Ist Sand : noch feucht und fern dem Feuer“. Das Ganze könnte auch als innere Autobiographie gelesen werden. Es finden sich zahlreiche mythologische und literarische Allusionen (so auf Hölderlin: „Hyperion“, „Hälfte des Lebens“, Rilke: „Mönchisches Lied (Pastiche)“ oder Lorca: „Im tiefen Grunde“). Stilistisch ist der Band als Ganzes schwer einzuordnen – auch das versteht sich nicht als Wertung. Expressionistische Merkmale wie syntaktische Verknappungen und Wortballungen („Springflutmond“, „Himmelsblumengrab“, „sommersingender Endlosgesang“), vers libre, antike Metren, klassische Formen (Sonett) stehen nebeneinander. In alledem aber klingt ein persönlicher, unverwechselbarer Ton, jener Ton, um den die Dichterin Phoibos Apollon (platonische Chiffre für den einen Gott) in einer Ode bittet. Sie hat ihn gefunden.


Alexandra Bernhardt: Et in Arcadia ego. Gedichte. Klagenfurt (Sisyphus) 2017. 90 Seiten. 12,00 Euro.
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