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14 Pinselnotizen - 8

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14 Pinselnotizen
aus dem Yue wei caotang biji
("aus der Strohhütte der Betrachtung des Unscheinbaren”)

des Ji Yun (Ji Xiaolan, 1724-1805).
Übersetzung: Rupprecht Mayer

8)

Nach der Erzählung des Präfekten Zhang Mogu lebte in der Gegend von Dezhou und Jingzhou ein reicher Mann, der statt Silber stets nur Getreide hortete, damit er nicht beraubt werden konnte. In den Perioden Kangxi und Yongzheng gab es eine Reihe von schlechten Ernten, und der Reispreis stieg. Doch er hielt seine Speicher geschlossen, in der Hoffnung, dass der Preis noch weiter steigen würde. Die Menschen in seiner Gegend litten darunter, doch sie waren machtlos. Eine in den Künsten bewanderte Kurtisane mit dem Beinamen “die Füchsin mit dem Jadegesicht” meinte: “Das ist einfach, haltet nur Geld bereit und wartet ab.” Dann suchte sie den Reichen in seinem Haus auf und sagte zu ihm: “Ich bin der Geldschüttelbaum meiner Madam, trotzdem misshandelt sie mich. Gestern hatten wir einen Streit, und wir kamen überein, dass ich mich mit tausend Tael Silber freikaufen kann. Ich selbst bin auch das Leben ‘in Wind und Staub’ leid und wünsche mir einen edlen, aufrechten Mann, dem ich mich für mein ganzes Leben anvertrauen kann. Ich dachte mir, dass kein anderer an Euch heranreicht. Wenn Ihr die tausend Tael erübrigen könnt, dann werde ich Euch mein Leben lang dienen. Ich habe gehört, dass Ihr ungern Gold und Silber im Hause habt. Es können stattdessen auch zweitausend Schnüre Kupfermünzen sein. Ein Holzhändler, der gestern davon erfahren hatte, ist schon auf dem Weg zurück nach Tianjin, um Geld zu besorgen. Er wird wohl in einen halben Monat wieder hier sein. Ich will aber nicht zu diesem gewöhnlichen Kerl. Wenn Ihr die Sache innerhalb von zehn Tagen festmachen könnt, dann wäre ich Euch für diese Gunst über die Maßen dankbar.” Der reiche Mann, den diese Kurtisane schon lange in ihren Bann gezogen hatte, war hocherfreut und begann sogleich damit, Reis zu einem günstigen Preis anzubieten. Doch nachdem er seine Speicher einmal geöffnet hatte, kamen die Käufer in Scharen, und es gelang ihm nicht mehr, sie zu schliessen. So leerten sich seine Bestände restlos, und der Reispreis ging stark nach unten. An dem Tag, an dem der letzte Reis verkauft war, sandte die Kurtisane eine Botschaft zum Haus des Reichen und liess ihr Bedauern zum Ausdruck bringen: “Meine Madam hat schon so lange für mich gesorgt. Es war zu diesem Vorschlag gekommen, nachdem sie mich in einer Zornesaufwallung beschimpft hatte, doch jetzt bereut sie das und versucht mich zu halten, und da kann ich nicht undankbar sein. Mit dem, was wir besprochen haben, sollten wir auf einen späteren Zeitpunkt warten.” Da der reiche Mann nur eine vertrauliche Vereinbarung mit ihr getroffen hatte, und da es keine Heiratsvermittlerin, keine Zeugen und keinen Heller Verlobungsgeld gab, konnte er nichts machen. Diese Geschichte wird auch von Li Luyuan berichtet, sie wird also nicht erfunden sein. Die Kurtisane soll erst sechzehn oder siebzehn gewesen sein, und doch war sie schon zu so etwas fähig. Eine Kämpferin!
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