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Tobias Roth: Kirchspiele - Pozzolengo, San Lorenzo in Castello

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Die Frage ist, wie lang eine Generation dauert; auf dem Hügel über dem Schlachtfeld von Solferino und San Martino (dieser Vorfall, jüngstvergangen, noch nicht verdaut, unter dem seit Urzeiten befestigten Hügel). Die eine Bar, wir fragen den Wirt, was ein Glas Spumante kostet, zwei, sagt er, gut, sagen wir, denn wir haben nur fünf, sagen wir, da seit ihr nicht allein, sagt er. Auf dem befestigten Hügel die Reste von San Lorenzo, der Grundriss in Wohngebäuden vergangener Jahrhunderte noch nachvollziehbar, die Fresken im Strunk der Apsis von einem neuen Überbau geschützt, mehr Hacklöcher als Farbe im Putz, unkenntlich. Mauerdurchbrüche der Befestigung öffnen sich bis in die Berge hinein, über die Weinberge, über den See, weiter, erst die Brenta muss man dazudenken, aber das liegt am Wetter, liegt am Sommer. Was aus dem Weinberg kommt, ist weltberühmt, alles andere an ihm, ganz im Gegenteil; das schmeckt man nicht, die Kunst im Lugana dort unten durchaus. Ein paar Meter in die andere Richtung (wären die Hacklöcher in der Apsis von San Lorenzo tiefer, könnte man es sehen) beginnt das Gebiet von Mantua und mit Hochmut kann man überall draufschreiben me genuit, mit einer Freude, deren Schuld sich nicht absehen lässt und zu der man die Wurmstiche der Beichtstühle befragen müsste, und man sagt Mantua me genuit, weil es auf dem Grabstein eines Lyrikers (längstvergangen) stand (er konnte nicht träumen, wie ihm geschehen würde), und man opfert ihm durch die Landschaft hindurch. So die, die die Fresken malten, und die, die sie weghackten. Dafür braucht es einen Schrein, keine Religion.



(Pozzolengo, San Lorenzo in Castello)


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