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Tobias Roth: Kirchspiele - Mantua, San Sebastiano

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Oberkirche und Krypta ein einziger Gedenkstein für diverse Märtyrer bzw. Kriegstote, als hätten solche Gebäude und Bauaufgaben darin Übung. Dulce et decorum est, natürlich steht es auch hier gemeißelt auf einer der Tafeln, zitiert mit der Gravität von Leuten, die alles lesen, nur keinen Horaz; sie haben sich dafür Leon Battista Albertis Erstling hergenommen, als könnten sie alles mit einem Raum anfangen, ihn nur nicht genießen. Die Proportion des überbauten Raums, durch den echtes Licht wandert, leuchtet noch vor dem nackten Backstein. Utopische Formen und Zahlen, die es in der Natur und im Menschen nicht gibt. Ich kann den Alptraum kaum anders beschreiben, der sich aus dieser Gedenkveranstaltung ringelt, die Schwachköpfe gedenken hier der Schwachköpfe, denn wie es abschließend heißt: Sie sind schön, heiter, ehrlich, brav und von unergründlicher Geistesbeschränktheit. Sie sind eine gesunde Menschenrasse, vielleicht weil sie zu dumm sind, um krank sein zu können. Wenn die Patrioten ihnen vorstellen, dass sie jetzt einen Fürsten bekommen, der einen blauen Rock und weiße Hosen trage, dann greifen sie zu ihren Büchsen, und küssen Weib und Kind, und lassen sich totschlagen für den weißen Rock und die lieben alten roten Hosen. Darin sind alle Proportionen verlassen, alle Sicht von Festungsbauvokabular vermauert (mit krenelierten Mauern, d.h. Schießscharten inklusive).


(Mantua, San Sebastiano)

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