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Tobias Roth: Kirchspiele - Carpenedolo, Santa Maria del Carpino

Theater / Kunst > Kunst



Auf dem Hinterhof eines großen Maisbauern, Lärm der Erntezeit, eine Gründung des vierten oder fünften Jahrhunderts. Ein Raum, die Apsis romanisch, unbedeutend höher als der Mähdrescher, der gleich daneben steht. Der Altar eigentümlich gemauert, mit etwas Zweifel sogar zugeschrieben (Bonifacio Bembo soll es gewesen sein, der das Gesicht Francesco Sforzas durch die Zeit katapultierte). Die zart zerfallende Erscheinung der Jungfrau, der Säugling hält schon den Rosenkranz; sechs Engel, ausgebleichter Hauch, Gesichter ohne bösen Willen. Die Gewächse der Welt: oberhalb die ganze Apsis freskiert. Unterhalb Hacklöcher in den alten Fresken, Putzschichten wie Jahreszeiten, hier und dort Zerfall. Die Bänke abgenutzt von den Knienden der Generationen, die Kultstätte saugt sich ihre Bauernhöfe an. Der Lärm der heutigen aber zerfällt, mit allem anderen, in der Stille zu rieselendem Staub. Rundum in der Landschaft unbewohnte Palazzi als ausgestochene Augen; hier kann man nicht weg. Ein Vorgängerbau eine Gründung des vierten oder fünften Jahrhunderts, in einer langen Kette von Feldgottheiten ist der Wechsel zur Feldgottheit Maria kaum spürbar, das Haus bleibt stehen und es dauert noch fast ein Jahrtausend bis das Gepredige losgeht. Ungeschlachtes fruchtbares Flachland. Wir bitten um gute Ernte, wir danken für gute Ernte, ansonsten: unser Fehler. Dafür braucht es einen Schrein, keine Religion.


(Carpenedolo, Santa Maria del Carpino)


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